Auslandsecho auf Angela Merkels Kurswechsel Bundeskanzlerin "betreibt Panikmache"
16.03.2011, 13:26 UhrDie Tageszeitungen im Ausland kommentieren den Kurswechsel von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Atompolitik. Während manche sie als vorbildhaft für andere europäische Staaten bewerten, schreiben andere Medien von Peinlichkeiten und Panikmache.
Der Tages-Anzeiger aus Zürich sieht die deutsche Kernenergie "unwiederbringlich auf dem absteigenden Ast. Wenn Deutschlands mächtige Industrie jetzt beginnt, ernsthaft nach Technologien für eine atomfreie Zukunft zu suchen, entsteht ein Sog, der den ganzen Kontinent mitzieht." Das Blatt aus Zürich appelliert an alle anderen Europäer: Sie seien "gut beraten, diesen Zug nicht zu verpassen".
El Mundo sieht die Kehrtwende der deutschen Bundeskanzlerin in der Atompolitik dagegen sehr kritisch und überzogen: "Das Erdbeben und der Tsunami haben Tausende Menschen das Leben gekostet. Die radioaktive Strahlung dagegen hat bisher noch kein Menschenleben gefordert." Daher sollten die Verantwortlichen in der EU laut dem Blatt aus Madrid "die Fassung bewahren". Die Spanier reagierten "zum Glück … mit Gelassenheit". Aber Angela Merkel betreibe "Panikmache".
Auch die Neue Zürcher Zeitung lässt kein gutes Haar am politischen Sinneswandel in der deutschen Atompolitik: Selbstverständlich ziele der in Berlin offiziell produzierte "Aktivismus (…) ganz auf die Beruhigung der Gemüter vor den Landtagswahlen. Und ebenso natürlich ist die hastige Frontbegradigung eine Peinlichkeit ersten Ranges, denn bisher galten die nun abzuschaltenden AKW als sicher, so sicher, dass sie sogar mit einer Verlängerung ihrer Laufzeit bedacht worden waren."
Der Standard bezeichnet die Trendwende in der AKW-Diskussion als "bemerkenswert", denn Deutschland nimmt als einziges Land Europas vorerst sieben Meiler vom Netz. Doch das Blatt aus Wien fragt sich, "warum der nördliche Nachbar aus den jüngsten Ereignissen neue Erkenntnisse gewann. Erdbebensicher waren die AKWs ja schon bisher, wurde zumindest versichert. Wie auch immer. Man sollte niemanden daran hindern, klüger zu werden."
Ähnlich konstatiert die Rzeczpospolita, dass keine Regierung in Europa die Informationen aus Japan so genau analysiere wie das Kabinett von Angela Merkel. Zwar würden die 9000 Kilometer Distanz zwischen Deutschland und Japan Berlin vor der radioaktiven Strahlung schützen. Doch sei die Entfernung "kein Garant für politische Sicherheit der schwarz-gelben Koalition", meint das Blatt aus Warschau. "Auf dem Spiel steht das Schicksal der Kanzlerin."
"Die wenigsten Experten zweifeln daran, dass die erneuten Sicherheitsuntersuchungen deutscher Atomkraftwerke genau das zeigen werden, was man schon weiß: dass die Mehrzahl der verschlissenen Atomkraftwerke unzureichend gegen Strahlungsaustritt etwa bei einem Flugzeugabsturz gesichert ist", schreibt das Blatt Information aus Kopenhagen. Die neuen Töne der deutschen Bundeskanzlerin besagten, dass sie "nicht länger die permanente Abschaltung der ältesten deutschen Kraftwerke ausschließen will". Diese Aussage sei "eine komplette politische Kehrtwende mit angezogener Handbremse".
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Julia Kreutziger