Pressestimmen

Krise in der Ostukraine "Dem Land droht der Zerfall"

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Die Situation im Osten der Ukraine gerät zunehmend außer Kontrolle. Eine aus Kiew organisierte Anti-Terror-Operation verläuft im Sande, viele Regierungsgebäude bleiben von prorussischen Kräften besetzt. Als Reaktion auf die anhaltenden Drohgebärden aus Moskau verstärkt die Nato ihre Präsenz in Osteuropa. Einziger Hoffnungsschimmer scheint eine in Genf angesetzte Konferenz. Die deutsche Presse kommentiert.

Der Reutlinger General-Anzeiger fasst die Gemengelage vor der Konferenz in Genf folgendermaßen zusammen: "Der entscheidende Punkt der Genfer Gespräche ist die russische Forderung nach einer Föderalisierung der Ukraine und damit mehr Autonomie für die Regionen - übrigens ganz entgegen dem Trend in Russland selbst, seit Präsident Putin regiert. Die Kiewer Führung und der Westen wiederum fordern von Moskau, dass es seine Provokationen einstellt und die Truppen von der ostukrainischen Grenze abzieht."

Die Westfälischen Nachrichten äußern sich wenig zuversichtlich über das Treffen in Genf: "Es ist ein Krisentreffen - nicht mehr. Von einem Gipfel ist gar nicht die Rede." Es sei unklar, so die Zeitung, was die Außenminister aus Russland, der Ukraine und den USA sowie die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton bewirken wollen: "Denn zu verhandeln gibt es nicht viel. Putin schreibt das Drehbuch einer Tragödie, die da heißt: Der Untergang der Ukraine. Dem Land droht der Zerfall - der Diplomatie ein Desaster."

Die Ukraine müsse neutral bleiben, fordern die Nürnberger Nachrichten: "Die Ukraine ist aufgrund ihrer immensen historischen wie militärischen Bedeutung für Russland nicht so frei in ihren politischen Entscheidungen, wie es etwa Polen beim Beitritt zur EU und zur Nato war." Zwar könne man diese Tatsache bedauern, aber "man wird sie wohl, nicht zuletzt in der Ukraine selbst, mit einer völkerrechtlich abgesicherten Neutralität des Landes akzeptieren müssen." Ansonsten, so das Blatt abschließend, werde "dieser Staat das Pulverfass Europas bleiben."

"Ob sich der starke Mann in Moskau nicht mit seinem Ränkespiel übernimmt", fragt sich die Heilbronner Stimme und mutmaßt: "Russland kann sich ein abgewirtschaftetes Land wie die Ukraine gar nicht leisten, weder finanziell noch politisch als Vielvölkerstaat." Auch die Europäer müssten sich darüber klar werden, "dass sie ebenfalls überfordert sind, wenn sie sich als Retter in der Not ausgeben". Der Ukraine könne nur gemeinsam im Verbund mit Russland geholfen werden, kommentiert die Zeitung weiter. Putin jedoch scheine dies ganz anders zu sehen: "Er arbeitet an seiner Vision eines Großrusslands, und da spielt die kalte Welt der Zahlen keine Rolle."

"Die Bilder aus Slwajansk, aus Kramatorsk oder Donezk zeugen von Konfusion", beschreibt die Mitteldeutsche Zeitung die Lage in der Ostukraine. Diese Konfusion erfasse die Berichterstatter ebenso wie die Politik: "Wir haben kein genaues Bild der Lage, beklagte Außenminister Steinmeier schon vor Wochen und setzte sich für eine internationale Beobachtertruppe ein." Inzwischen seien 120 OSZE-Beobachter in der Ukraine im Einsatz, der jedoch einer unmöglichen Mission gleichkomme: "Wenn es irgendwo in dieser Gemengelage einen verlorenen Posten gibt, dann ist es ihrer!" Derweil tobe um den Osten der Ukraine "eine beispiellose Propagandaschlacht".

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung befürwortet die Verlegung von Nato-Streitkräften in die östlichen Staaten des Bundes: "Seit klar geworden ist, dass der Kreml die Grenzen seines Einflussgebiets in Europa ausdehnen will und dabei auch nicht vor der Verletzung der territorialen Integrität souveräner Staaten zurückschreckt, muss die Nato an ihrem östlichen Rand Flagge zeigen: Das Baltikum und Polen sind anders als die Ukraine Bündnisgebiet." Die Verlegung von ein paar Flugzeugen, Schiffen und Soldaten solle dies lediglich unterstreichen: "Das ist das Mindeste, was das Bündnis tun muss, um nach außen und nach innen glaubwürdig zu bleiben", schreibt das Blatt weiter und begründet abschließend: "Weniger als das würde der Kreml als Zeichen der Schwäche und der Unentschlossenheit werten, derenthalben er den Westen ohnehin schon verachtet."

Zusammengestellt von Aljoscha Ilg

Quelle: ntv.de

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