Pressestimmen

Berlusconi verliert seine Immunität "Der Cavaliere steht nackt da."

Sieht sich immer noch über dem Recht stehend: Silvio Berlusconi.

Sieht sich immer noch über dem Recht stehend: Silvio Berlusconi.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Presse ist sich einig: Silvio Berlusconi tut Italien nicht gut. Dennoch wird es nach der Aberkennung seiner Immunität keine Neuwahlen geben. Das liegt nicht nur an seinem Machtanspruch, sondern auch an einer unfähigen Opposition sowie den anderen Regeln und Moralvorstellungen, die in Italien herrschen.

Wenn der Regierungschef die Immunität verliert und gleich mehrere Prozesse auf ihn zukommen, dann rieche es eigentlich nach Staatskrise, meint das Handelsblatt. Doch die Betonung liege dabei auf eigentlich. Denn es ist der italienische Regierungschef, der seine Immunität verliert, und er heißt Silvio Berlusconi. Deshalb würden laut dem Blatt andere Regeln gelten. Und daher sei es auch extrem unwahrscheinlich, "dass es nach dem Verfassungsgerichtsurteil zu Rücktritt oder Neuwahlen kommt." Selbst wenn letzter Fall eintreten würde, "würde Berlusconi wieder gewinnen". Warum? "Das liegt auch an den anderen Moralvorstellungen, die in Italien herrschen. Korruption oder Steuerhinterziehung ist bei vielen Bürgern nicht so negativ belastet wie etwa in Deutschland."

Auch das Badisches Tagblatt konstatiert, dass diese Zustände in kaum einem anderen europäischen Land möglich wären. Aber Berlusconis Italien schon. Er werde Regierungschef bleiben, denn "alles andere hält er für lächerlich". Zudem wären der Opposition Neuwahlen auch nicht allzu recht. Sie knabbere immer noch an ihrer Wahlniederlage. Der einzige Punkt in dem sich alle einig seien: "Berlusconi muss weg." Doch der sehe "sich im Recht, über dem Recht zu stehen. Das hat zwar das Verfassungsgericht gerade erst verworfen, doch Italien scheint die Berufsauffassung ihres Capo Silvio nicht zu stören. Wie lange noch?"

Das fragt sich auch die Süddeutsche Zeitung. Sie wirft die Fragen auf: "Wie lange noch wird Silvio Berlusconi herrschen? Wie lange noch darf er den Staatspräsidenten, die Verfassungsrichter und seine politischen Gegner als Kommunisten niedermachen? Wie lange noch erlauben ihm die Italiener, dass er ihre Geduld missbraucht?" Berlusconi dominiere mittlerweile seit 15 Jahren die Bürger - egal ob als Oppositionsführer oder als Regierungschef. Fest steht, dass Italien seitdem ein "schlechteres Land" geworden und wirtschaftlich zurückgefallen sei und im Ausland nur wenig ernst genommen werde. "Es hat an innerem Zusammenhalt verloren."

Die Märkische Oderzeitung versucht zu erklären, warum Berlusconi so erfolgreich ist: "Der Erfolg dieses Politikertypus (…) ist ohne den vollständigen Zusammenbruch des alten italienischen Parteiensystems zu Beginn der 90er Jahre nicht erklärbar. Damals versank die scheinbar ewige Regierungspartei, die Democrazia Cristiana, nach einem halben Jahrhundert an der Macht quasi im Nichts. Was übrig blieb waren Filz und Korruption." Dann sei Berlusconi gekommen. Medienmacht und politische Macht seien von da an in seiner Hand gewesen. "Politische Sitten herrschen wie weiland im alten Rom." Doch das, was jetzt geschehe, sei der Ausdruck einer tiefen "Krise der staatlichen Institutionen. Noch aber jubelt eine Mehrheit der Italiener ihrem Cäsaren zu, der von der Macht nicht lassen will und Gericht und Staatspräsident beschimpft. Italien hätte besseres verdient."

Das Coburger Tageblatt urteilt, dass es "auch im Berlusconismus noch Institutionen (gibt), die sich den politischen Selbstbedienern in den Weg stellen". Berlusconi hätte sich das Immunitätsgesetz "auf den Leib schneidern lassen, um den juristischen Folgen seiner unheilvollen Verquickung privater wirtschaftlicher Interessen mit seinen politischen Ambitionen zu entgehen". Doch nun hätten ihm die Richter dieses vom Leib gerissen. Fazit: "Der Cavaliere steht nackt da."

Zusammengestellt Julia Kreutziger

Quelle: ntv.de

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