Pressestimmen

Türkei beschließt Militäreinsatz "Der Krieg (...) ist eine reale Möglichkeit"

Nach dem syrischen Granatenangriff auf ein türkisches Grenzdorf und den Vergeltungsschlägen auf Ziele in Syrien hat die Türkei nun offiziell einen Militäreinsatz beschlossen. Diese Entscheidung scheint in mehrfacher Hinsicht bedeutsam: Sie zeigt, dass der Konflikt längst kein innersyrischer mehr ist, und offenbart zugleich Ankaras regionale Machtansprüche. Doch Erdogans Vorgehen ist gefährlich, meint n-tv.de und hält ein diplomatisches Vorgehen der Türkei für die bessere Lösung. Das sieht auch die Presse so, die fürchtet, die türkische Machtdemonstration könne den Konflikt eher schüren als mildern.

Die Türkei demonstriert Stärke. Doch ist das der richtige Weg?

Die Türkei demonstriert Stärke. Doch ist das der richtige Weg?

(Foto: REUTERS)

"Das Scharmützel an der syrisch-türkischen Grenze taugt nicht für Verharmlosungen", warnt die Ludwigsburger Kreiszeitung und führt Zahlen an: "Hier stehen sich zwei hochgerüstete Regionalmächte gegenüber. Syrien hat 420.000 Mann unter Waffen, die Türkei ist mit 720.000 Soldaten die zweitstärkste Militärmacht in der Nato." Zwar gebe sich Erdogan besonnen, "doch feilt er weiter am Ausbau seiner Machtposition im Nahen Osten. Ein Sturz Assads würde sie stärken. Und auch religiöse Motive spielen mit. Eine brandgefährliche Mischung von Interessen."

Der Wiesbadener Kurier mutmaßt über Ankaras Interessen: "Erdogan will nicht in diesem Krieg kämpfen, sieht sich aber zur Intervention in jenen Gebieten Syriens veranlasst, von denen aus kurdische Terroristen Anschläge in der Türkei organisieren, sei es, weil sie 'befreit' sind, sei es, weil sie von Assad instrumentalisiert werden. Das türkische Parlamentsmandat für Militäreinsätze im Nachbarland zielt denn auch ebenso auf die Kurdengebiete wie die dosierten Gegenschläge nach Syriens Granatenangriff. Ein Spiel mit dem Feuer! Vor allem auch, weil der Flüchtlingsstrom die Lage an unserer Nato-Grenze ohnehin weiter destabilisiert."

Auch für die Heilbronner Stimme begibt sich Erdogan auf einen "riskanten Kurs, wenn er nun versucht, durch eine Intervention von außen das Ende des Despoten in Damaskus zu beschleunigen". Das Blatt fürchtet mögliche Folgen: "Er könnte den Bürgerkrieg auf den türkischen Boden tragen, die Kurdenfrage ganz neu stellen und die Gefahr eines syrischen Chemiewaffeneinsatzes erhöhen. Humanitäre Gründe dürften bei dem Machtpolitiker nur eine untergeordnete Rolle spielen. Erdogan glaubt offenbar, so den Einfluss Ankaras im Nahen Osten zu befördern."

"Die Türkei will ihren Einfluss in der Region ausbauen und tritt als modernes Gegenmodell zum erzkonservativen Saudi-Arabien auf", kommentiert der Mannheimer Morgen. Im Hinblick auf dieses Ziel scheint die Reaktion der Türkei klar: "Ein Land mit solchen ehrgeizigen Plänen kann es natürlich nicht hinnehmen, dass syrische Granaten türkische Zivilisten töten. Wie lange die Vergeltungsaktionen jenseits der Grenze dauern, muss sich jetzt noch zeigen. Bisher hat die Türkei jedenfalls der Versuchung widerstanden, als Kriegspartei in Syrien aufzutreten. Ankara unterstützt die Opposition und stellt sich offensiv gegen das Assad-Regime. Aber weder eine Militärintervention noch Waffenlieferungen an die Rebellen standen ernsthaft zur Debatte."

"Mit fast 100.000 syrischen Flüchtlingen im Land wird die Türkei in absehbarer Zeit bei den UN offiziell die Schaffung einer Schutzzone auf dem Staatsgebiet des südöstlichen Nachbarn beantragen. Zudem könnten Kräfte innerhalb der bewaffneten Opposition auf die Idee kommen, das von ihnen erhoffte Eingreifen der Türkei durch Aktionen zu provozieren, die sie der syrischen Armee in die Schuhe schieben. Die Lage entlang der 900 Kilometer langen Grenze bleibt also brisant; der Krieg, den niemand will, ist eine reale Möglichkeit", konstatieren die Nürnberger Nachrichten.

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Nadin Härtwig

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