Pressestimmen

Papst schweigt zu Missbrauchsfällen "Der falsche Mann am falschen Ort"

Unzählige Kinder sind in Deutschland in katholischen Einrichtungen missbraucht worden, aber der Papst äußert sich mit keinem Wort. Und es ist nicht das erste Mal, dass er beharrlich schweigt. Die Kirche stiehlt sich wieder aus der Verantwortung, so das bittere Fazit der Presse.

Papst Benedikt XVI. hat sich bislang nicht geäußert.

Papst Benedikt XVI. hat sich bislang nicht geäußert.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Hamburger Morgenpost ist entsetzt über das Verhalten von Benedikt XVI. und hat die Hoffnung in den Papst verloren: "Er schweigt. Da werden Hunderte von Kindern in Deutschland von Mitgliedern der katholischen Kirche gequält, geschändet, ihre Herzen gebrochen, ihre Seelen zerstört. Und was macht der Papst? Er schweigt und lässt andere für sich reden. Wie er schon beim Skandal um die Rehabilitierung des rechtsradikalen Holocaust-Leugners Williamson und seiner obskuren Pius-Bruderschaft geschwiegen hat. Es gibt von ihm kein direktes Wort an die Gläubigen über eine offensichtlich fehlgeleitete Kirche. Das müssen andere erledigen wie (…) Kardinal Zollitsch in Rom oder der Hamburger Weihbischof Jaschke, der die längst überfällige Diskussion über das Zölibat anschiebt. Ihr Chef aber, der unfehlbar sein soll und doch nur unbelehrbar ist, schweigt. Benedikt XVI. begreift die Welt nicht mehr ­ der Deutsche, der eine Hoffnung war, ist leider der falsche Mann am falschen Platz zur falschen Zeit."

Auch das Flensburger Tagblatt kann sich nicht erklären, warum der Papst zu den aktuellen Vorwürfen in seinem Heimatland kein Wort verliert: "Immer wieder hat Benedikt XVI. sexuellen Missbrauch verurteilt und Aufklärung gefordert. Bei seiner Pastoralreise in die USA traf er sich sogar mit Missbrauchsopfern. Nur zu den Fällen in Deutschland schweigt der deutsche Papst. Das ist fatal, bedenkt man, welchen Vertrauensbonus katholische Jugendarbeit in Deutschland genoss, als hunderttausende Jugendliche aus aller Welt am Kölner Rheinufer ihr Kirchenoberhaupt mit Benedetto, Benedetto-Rufen feierten. Wie auch das Wir sind Papst-Gefühl nach der Wahl von Joseph Ratzinger spätestens nach der Rehabilitierung des Holocaust-Leugners Richard Williamson verflogen ist. Schon damals hätte ein zur rechten Zeit gesprochenes, scharfes Wort des deutschen Papstes viel Schaden verhindern können."

Zwar bitten die deutschen Bischöfe "um Vergebung für die Sünden pädophiler Priester", aber auch die Südwest-Presse (Ulm) vermisst Offenheit und glaubt nicht daran, dass der Vatikan sein Verhalten ändern wird: "Ein Eingeständnis von Fehlern der Kirchenhierarchie, die Übergriffe auf Kinder und Jugendliche Jahrzehnte lang nicht nur nicht verhinderte, sondern durch schlichte Versetzung Betroffener mitunter ermöglichte, kam bislang keinem Bischof über die Lippen. Dieser Mangel an Verantwortung nährt den Verdacht, die Zurückhaltung im Umgang mit dem heiklen Thema Missbrauch habe in Kirchenkreisen Bestand. Der Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Radio Vatikan, Bernd Hagenkord, hatte die Mauer des Schweigens gebrandmarkt. Seit seinem ersten mutigen Auftreten schweigt auch der langjährige Jugendseelsorger. Seine Offenheit passt offenbar nicht zur Linie des Vatikans."

Der General-Anzeiger (Bonn) sieht keine Zeichen dafür, dass die katholische Kirche bereit ist, Verantwortung zu übernehmen: "Versuche, die Missbrauchsfälle in kirchlichen Einrichtungen in einen Zusammenhang zu stellen mit der sexuellen Revolution und der Sexualisierung der Gesellschaft, haben nur das Misstrauen verstärkt, die katholische Kirche versuche wie so oft in der Vergangenheit, sich auch jetzt aus der Verantwortung zu stehlen. Viel zu lange haben zu viele zugesehen, geschwiegen, vertuscht und beschwichtigt, hat man den Wunsch, Schaden von der Institution Kirche abzuwenden, höher gestellt als die Verpflichtung, den Schutz und die Unversehrtheit der ihr anvertrauten Schüler sicherzustellen."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Katja Sembritzki

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