Pressestimmen

Ecclestone darf sich freikaufen "Die Justiz wird zur Kassenjustiz"

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Das Gericht stellt den Schmiergeldprozess gegen Bernie Ecclestone ein. Der Formel 1-Boss bleibt frei und behält seine weiße Weste - im Gegenzug zahlt er 100 Millionen Dollar in die Staatskasse. Mit Gerechtigkeit hat das nichts zu tun, findet die deutsche Presse.

"Geld kauft Unschuld. Das klingt schwer nach Bananenrepublik", meint die Neue Ruhr/Neue Rhein-Zeitung aus Essen: "Es mag ja sein, dass die Beweise gegen den Formel-1-Chef sich nicht als so hart erwiesen haben, dass es für eine Verurteilung gereicht hätte, wie es nun das Münchener Landgericht behauptet. Nur - wozu hat Ecclestone dann überhaupt gezahlt? Als jemand, der sein Geld zum Fenster rauswirft, ist er nicht bekannt. Es bleibt der Eindruck: Wer reich ist, ist vor dem Gesetz gleicher als andere. Bitter."

"Zahlung gut, alles gut? Mitnichten", findet die Süddeutsche Zeitung. "Es zeigt sich hier die Ausbreitung des Marktes und der ökonomischen Handlungslogik im Innersten des Rechtsstaates. Kommerzialisierung heißt hier: Wie ein Strafverfahren endet, hängt offenbar davon ab, wie viel ein Beschuldigter oder Angeklagter an den Staat zu zahlen bereit ist. Die Justiz wird zur Kassenjustiz. Gewiss: Die exorbitante Höhe der Geldzahlung ergibt sich nicht zuletzt aus den exorbitanten Einkommensverhältnissen des Bernie Ecclestone. Aber die Justiz nimmt in Kauf, dass sie als käuflich erscheint."

"Wunder gibt es immer wieder. Nicht nur im deutschen Schlager, sondern auch vor deutschen Gerichten", konstatieren die Aachener Nachrichten: "Der Staat hat dafür einen eigenen Wunder-Paragrafen geschaffen. Dieses Gesetz produziert blütenreine Westen und lässt selbst hartnäckig anhaftenden Schmutz auf wundersame Weise verschwinden - gegen Cash, natürlich. Das ist Alltag an deutschen Gerichten. Kleinkriminelle profitieren von der immer mal wieder umstrittenen Regelung ebenso wie Promis. Der Deal aber, den das Landgericht München nun mit Formel-Eins-Boss Bernie Ecclestone geschlossen hat, ist in seinen Dimensionen einzigartig. Damit pervertiert das Gericht den Sinn des Gesetzes."

"Der Paragraf, nach dem Ecclestone sich freikaufen konnte, ist nicht für Reiche gemacht", stellt die Stuttgarter Zeitung fest: "Er wird häufig genutzt, zu Recht immer dann, wenn es um Bagatellen geht, um eine 'geringe Schuld'. Und leider allzu oft auch dann, wenn ein kompliziertes Strafverfahren der Justiz zu viel Arbeit macht. Die 100 Millionen sind auch Ausdruck eines schlechten Gewissens des Gerichts. Hätte Ecclestone nämlich am Ende freigesprochen werden müssen, wäre dies zugleich der Beleg dafür gewesen, dass das Urteil gegen Gribkowsky in einem entscheidenden Punkt ein Fehlurteil war. Das wäre peinlich. Das Ende des Münchner Prozesses nützt zwei der Beteiligten, dem Rechtsstaat aber nicht."

"Wer über die teure und zunehmend finanziell überforderte Justiz klagt, wurde gestern in München eines Besseren belehrt: Ein Prozess kostet nicht nur, er kann für den Staat sogar mehr einbringen", schreibt die Märkische Allgemeine aus Potsdam. "Verfahrenseinstellungen gegen Geldauflage sind in Deutschland keine Seltenheit. Ziel ist die Abkürzung von Verfahren, in denen es ohnehin nur um eine geringe Schuld geht. Ecclestone allerdings war kein Verkehrsrowdy. Es ging um den Vorwurf der Korruption in Millionen-Höhe. Ein Gericht ist nicht zum Geldverdienen da. Es soll Sachverhalte aufklären und für Gerechtigkeit sorgen. Wenn es sich diese Arbeit spart, leidet das Rechtsempfinden. Und sei der Deal noch so lukrativ."

Die Berliner Zeitung sieht das ähnlich: "Weder eignete sich der Fall für eine Einstellung, noch war es ein 'geeigneter Fall' für einen Deal. Die Konsequenz dieser Entscheidung: Bernie Ecclestone steckt mit der einen Hand der Justiz 100 Millionen Dollar zu, die er mit der anderen an der Gelddruckmaschine Formel 1 im selben Augenblick verdient. Die Justiz hat sich Arbeit erspart, die Verteidigung einen Triumph erzielt, nur der Strafprozess schaut in Deutschland so verdutzt aus der Wäsche, als hätte ihn ein Auto aus dem Renn-Zirkus Bernie Ecclestones gerammt."

Zusammengestellt von Laura Kleiner

Quelle: ntv.de

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