Rekordverschuldung "Die Wahl wird zur Farce"
24.06.2009, 21:05 UhrDüster sieht es aus am deutschen Finanzhimmel. Und nicht nur dort: Die Weigerung der Parteien, vor der Wahl Aussagen darüber zu treffen, wie der Haushalt wieder in Ordnung gebracht werden soll, macht aus der Wahl "ein leeres Ritual". Vielmehr noch: Steuersenkungsversprechen beleidigen die Intelligenz des Wählers, der aber nicht ganz unschuldig am Wahlkampfverhalten der Parteien ist.

Die passende Mimik zum neuen Schuldenberg: Finanzminister Peer Steinbrück.
(Foto: dpa)
"Die Staatsschulden explodieren. Nächstes Jahr werden sie auf ungefähr 100 Milliarden Euro steigen", fasst die Tageszeitung aus Berlin zusammen und erwartet ein "ungewöhnlich absurdes Wahlkampfschauspiel". Denn weder SPD noch Union trauten sich zu sagen, "was sie angesichts dessen tun werden, welche Steuern sie erhöhen oder welche Sozialleistung sie kürzen werden". Diese Zurückhaltung sei zwar in der "Logik der Parteien" normal, schließlich wolle man gewählt werden, doch die Wähler begreifen durchaus, "dass ihnen die Wahrheit aufs Plumpeste vorenthalten wird". "So verwandelt sich die Wahl, Herzstück der Demokratie, in eine Farce, in ein leeres Ritual", schreibt das Blatt. "Die Parteien machen Versprechungen, an die sie nicht mal selbst glauben, die Wähler tun dies ohnehin nicht. So erodiert die Demokratie, die auf das Vertrauen der Bürger angewiesen ist."
"Der politische Gestaltungsspielraum der nächsten Bundesregierung tendiert gegen Null", malen die Kieler Nachrichten schwarz. Ohne Alternative seien angesichts der Zahlen Abgabenerhöhungen und gleichzeitige Ausgabenkürzungen, "wenn die Staatsfinanzen wieder in halbwegs geordnete Bahnen geführt werden sollen". Das Blatt geht ebenfalls auf die wahlkampftaktische Zurückhaltung der Parteien in dieser Frage ein: "Nur mag das im Wahlkampf niemand sagen. Aus Angst vor dem Wähler verweigern sämtliche Parteien ernsthafte Konzepte, wie sie auf die finanziellen Zwänge der Zukunft reagieren wollen. Die Offenheit, mit der Steinbrück das indirekt zugibt, wäre fast schon sympathisch wenn es nicht zugleich Beleg für den Niedergang der politischen Kultur in Deutschland wäre."
"Dass Wachstum alle Probleme löst, nehmen nur unverbesserliche Optimisten an", weiß die Neue Osnabrücker Zeitung und kommt zu dem Schluss: "Bleiben also Abgabenkürzungen oder höhere Steuern." Zwar werde in Sonntagsreden gerne von Sparen und Subventionsabbau gesprochen, doch "wer es propagiert, muss allerdings auch sagen, wo". "Bei Renten und Arbeitslosengeld etwa? Bei Familienleistungen oder Bildung? Politische Lautsprecher werden stiller, wenn sie konkret werden sollen. Also Steuererhöhungen? Einmütig lehnen alle Parteien jetzt vor der Wahl solche Maßnahmen zum Stopfen der Etatlöcher ab. Besonders Wagemutige buhlen gar mit Steuersenkungsversprechen um die Gunst der Bürger. Sie könnten vielleicht froh sein, wenn die Wahl sie nicht in die unangenehme Lage bringt, ihre Zusagen einlösen zu müssen."
"Angesichts solcher Zahlen beleidigt die unionsinterne Debatte über Steuersenkungen als Wahlkampfknüller die Intelligenz der Bürger", kommentieren die Nürnberger Nachrichten, denn für breite finanzielle Erleichterungen gebe es in den kommenden Jahren keinen Spielraum. "Wer den Wählern etwas anderes verspricht, läuft Gefahr, als politischer Scharlatan entlarvt zu werden. Auch wenn die Parteien so tun, als hätten sie die Krise im Griff, muss daran erinnert werden, dass die soziale Dimension noch nicht in vollem Umfang sichtbar geworden ist. Hypo Real Estate, Opel, Schaeffler und Karstadt-Quelle sind erst die Vorboten."
Auch die Märkische Allgemeine fände es "gut, wenn die Politiker bereits vor der Wahl klarmachen würden, mit welchen Maßnahmen sie die Haushalte wieder in Ordnung bringen wollen. Durch Sozialabbau, Steuer- und Abgabeerhöhungen oder die Kürzung von Investitionen?" Auch sie sieht keine anderen Wege. Doch nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre werde wohl kaum ein Politiker wagen, "seine wahren Pläne vor der Wahl zu enthüllen". "Die Union schnitt 2005 auch deshalb so schlecht ab, weil Angela Merkel vor der Wahl ein paar unpopuläre Maßnahmen angekündigt hatte. Und als Ex-Finanzminister Hans Eichel ebenfalls vor der Wahl andeutete, dass es Einschnitte geben könnte, schadete das der SPD. Es ist bedauerlich, dass die Politiker vor der Wahl nicht die Wahrheit sagen, aber der Wähler will es offenbar auch so."
Zusammengestellt von Nadin Härtwig
Quelle: ntv.de