Pressestimmen

Zukunft der Ukraine "Die gerissene Berufsikone Timoschenko"

Die Presse diskutiert über die Zukunft der Ukraine.

Die Presse diskutiert über die Zukunft der Ukraine.

Janukowitsch ist weg, Timoschenko ist frei und Klitschko schaut in die Röhre. Die Ukraine entledigt sich ihrer politischen Fesseln und fällt in ein Finanzloch. Nun ist es an der EU, den Revolutionären zur Hilfe zu eilen. Die Presse diskutiert, wie es in Kiew weitergehen kann.

Julia Timoschenko weiß, wie sie sich möglichst medienwirksam in Szene setzt.

Julia Timoschenko weiß, wie sie sich möglichst medienwirksam in Szene setzt.

(Foto: imago/Xinhua)

Die "Revolution" in der Ukraine entfessele keine Aufbruch-, sondern Untergangsstimmung, meint die Lüneburger Landeszeitung. "Denn das Land steht finanziell und politisch am Abgrund. Mindestens 35 Milliarden Dollar fehlen in den öffentlichen Kassen. Doch Hilfen von Weltbank, Währungsfonds, EU oder aus Russland dürfte es nur geben, wenn Stabilität einkehrt. Doch das Land ist von einen politischen Neustart und einer Befriedung der verfeindeten Lager weit entfernt." Wenn dann auch noch radikale Kräfte in die Regierungsverantwortung eingebunden würden, werde dieses Land nicht zur Ruhe kommen, schreibt die Zeitung. Nur neue, unverbrauchte Gesichter in der politischen Führung und ein Zwitter-Kurs, der weder die EU noch Russland verprelle, seien zielführend. Denn erst die Überwindung wirtschaftlicher Probleme sei eine Grundlage zur Versöhnung der beiden Lager, so das Blatt abschließend.

Der Münchner Merkur sieht die Lage kritisch: "Es ist ja leider nicht damit getan, die 'siegreichen' Proeuropäer mit Geld zu überschütten und zu hoffen, dass sich eine prosperierende Demokratie entwickelt. Die Ukraine muss sich vielmehr grundlegend reformieren, um im Konzert der Industriestaaten mitspielen zu können." Sie habe aber im Gegensatz zu anderen problematischen Volkswirtschaften wie Rumänien oder Bulgarien auch noch das Pech, in zwei Teile zu zerfallen, von denen einer klar auf Russland ausgerichtet sei, so das Blatt. Das Ganze gleiche einem riesigen Testlabor, das herausfinden solle, ob mit einem von Einkreisungsängsten geplagten Russland pragmatische Kompromisse zu erzielen seien - Ausgang offen. "Man kann nur hoffen, dass das Personal um den unerfahrenen Klitschko und die gerissene Berufsikone Timoschenko dem Experiment gewachsen ist."

Der Mannheimer Morgen schreibt: "Die EU braucht neue Instrumente, um Neulinge zu integrieren, ohne sie aufnehmen zu müssen. Das kann funktionieren, wenn man schafft, was mit der Östlichen Partnerschaft erreichen werden sollte: regionale Ableger, die an die Kern-Union angedockt die gleichen Werte praktizieren. Und damit den Menschen das bescheren, wofür sie gekämpft haben."

Für die Lübecker Nachrichten sei absehbar, dass der Rausch des Sieges schnell verfliege. "Die Ukraine könnte rascher als es ihr lieb ist mit 'griechischen Verhältnissen' konfrontiert werden. Geht es nach dem Internationalen Währungsfonds, soll das Land - will es Kredite bekommen - den Gürtel enger schnallen, die Gaspreise anheben und die Staatsausgaben über Renten und Gehälter kürzen. Geradezu eine Farce der Geschichte ist dabei, dass sich der neue Staatschef auf die alte ukrainische Oligarchen-Kaste um Achmetow, Firtasch & Co. stützen muss, um den Zerfall des Landes zu verhindern." Diese Herren, die mit Investitions-Verweigerung und Gewinnverschiebung ins Ausland eine gehörige Portion Mitschuld am wirtschaftlichen Niedergang der Ukraine haben, seien dem Blatt zufolge die eigentlich Mächtigen im Hintergrund.

Der Tagesspiegel richtet sein Augenmerk auch auf die ukrainischen Nachbarn: "Anders als im Nachbarstaat fehlt Russlands Oppositionskräften noch immer ausreichender Rückhalt in der Bevölkerung - auch wenn das Protestpotenzial durchaus vorhanden ist. Mehr als alles andere wurde in der Ukraine die Korruption des Regimes zum Auslöser der Proteste, gepaart mit der kaltschnäuzigen Bereitschaft, den ergaunerten Besitz notfalls mit Gewalt zu verteidigen. Beides erregt auch in Russland in zunehmendem Maße den Volkszorn." Des Weiteren schreiben sie, dass Putin angesichts der ukrainischen Lektion endlich begreifen solle, dass seine bisher so erfolgreiche Politik der Repression eines Tages auch scheitern könne - mit verheerenden Folgen für Russland wie für ihn selbst.

Zusammengestellt von Lisa Schwesig

Quelle: ntv.de

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