Vier Sprintstars werden positiv getestet "Doping? Egal, gefeiert wird trotzdem"
16.07.2013, 21:07 Uhr
Nach Dopingskandalen im Radsport ist nun auch die Leichtathletik betroffen. Topsprinter stehen unter dringendem Dopingverdacht. Immerhin: Supersprinter Usain Bolt scheint bisher sauber zu sein. Die Presse diskutiert über mögliche Konsequenzen für Doping.
Der Tagesspiegel ist der Ansicht, dass der saubere Sprint eine realistische Illusion sei. "Ja, es sind verbotene Mittel im Spiel, aber sie sind unsichtbar, und es bleibt das Fünkchen Hoffnung, dass in Wirklichkeit Talent und Training über den Sieg entschieden haben." Manche Zuschauer hätten sich auf den Wettkampf zwischen Gefühl und Verstand ohnehin gar nicht erst eingelassen oder längst kapituliert. "Sie jubeln entweder drauflos, ohne viele Fragen zu stellen oder haben sich abgewendet, weil ihr Kopf sich nicht mehr von der Schönheit der Bewegung verführen lässt."
Die Mittelbayerischen Zeitung sieht die Verbände in der Verantwortung. Die würden ihre Normen zu sehr in die Höhe schrauben. "Die Fans goutieren nur Bestzeiten, überhöhen Sportler und heben sie oft auf Sockel. Genauso schnell stoßen sie sie wieder hinunter." Als Beispiel benennt die Zeitung den Aufstieg und Fall des Jan Ullrich. Außerdem fordern sie die Zuschauer auf, ein feineres Gespür zu entwickeln und mehr selbst zu bestimmen, was sie sehen wollen. Das Blatt gibt zu bedenken: "Packen wir uns an der Nase: Muss es immer Bestzeit sein, immer Rekord? Ist langsamer automatisch weniger packend?"
Der Sport sei nicht besser oder schlechter als die Gesellschaft, in der er betrieben wird, meint die Westdeutsche Zeitung. So werde verständlich, dass der Spitzensport den Zuschauer gerade deswegen reize, weil er vielleicht nicht vollkommen in Ordnung sei. "Doping gehört offensichtlich zu der Art von Drama, wie es der Spitzensport seinen Zuschauern bietet. Dennoch benötigt der Sport Regeln und muss auf deren Einhaltung achten. Sie machen die Idee des Sports aus." Das Blatt fordert eine Sanierung des Spitzensports, damit er mit seinen wichtigen gesellschaftlichen Funktionen als Kulturgut erhalten bleibe.
Die Doping-Enthüllungen um Tyson Gay, Asafa Powell und Sherone Simpson träfen die Leichtathletik mit einer großen Wucht schreibt die Landeszeitung in Lüneburg. Sie befürchtet eine argwöhnische Beurteilung aller Spitzenleistungen. "Doping ist die wohl größte Geißel des Sports. Gedopte Top-Stars missbrauchen auch ihre Vorbildfunktion." Der Ruf nach härteren Sanktionen werde immer wieder laut, so das Blatt. Zweifelhaft sei allerdings, dass sie etwas bewirken würden. "Zu einfach ist es aber, bei Doping-Enthüllungen mit dem Finger immer nur auf die Athleten zu zeigen. Wir alle, Medien, Zuschauer und Sponsoren, fordern stetig noch bessere Leistungen, noch größeres Spektakel." Der Druck auf Sportler und Trainer werde immer stärker und es entstehe eine Diskrepanz, die irgendwann nicht mehr natürlich trainierbar sei, schreibt das Blatt. "Die Schraube ist überdreht."
Der Donaukurier zitiert den Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees Jacques Rogge. Er sehe die Glaubwürdigkeit des Sports angesichts des Dauerthemas Doping nicht in Gefahr. Rogge betone, dass die Show die Skandale schon bald wieder in den Hintergrund rücken werde. Es sei gut möglich, dass Rogge recht habe. Die Zuschauer und Sponsoren seien aber weder durch den kanadischen Sprinter Ben Johnson noch durch andere Doper nachhaltig abgeschreckt, so das Blatt weiter. "Zu faszinierend ist die Show. Vielleicht geht es ja auch längst nicht mehr um den Sport an sich." Das Blatt sieht die Tour de France der Radsportler als bestes Beispiel für einen ungebrochenen Publikumszuspruch. "Doping? Egal, gefeiert wird trotzdem. Wer gewinnt, ist nicht so wichtig. Weiß ja auch keiner, wie lange das Ergebnis Bestand hat."
Zur Frage, ob gedopte Sportler weitermachen dürfen wie bisher, sagt der n-tv.de-Sportexperte Thomas Badtke ganz klar: "Nein! Die jüngsten Doping-Fälle müssen dazu führen, dass lebenslange Sperren eingeführt werden. Es kann nicht sein, dass man nach einer kurzen Zwangspause zurückkommen kann, als wäre nichts gewesen. Das ist das falsche Signal!" Er sieht vor allem die jungen Sportler in Gefahr. "Die werden so ermutigt, ihre sportlichen Leistungen mit verbotenen Substanzen zu pushen - schließlich kommen mit besseren Leistungen auch größere Anerkennung und mehr Geld."
Thomas Badtkes ausführlichen Kommentar können Sie hier nachlesen.
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Lisa Schwesig