Dirk Niebels Teppichaffäre "Ego-Trip mit Landsermütze"
08.06.2012, 21:58 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Entwicklungsminister Dirk Niebel kauft einen Teppich in Afghanistan und lässt ihn am Zoll vorbei mit einer Maschine des Bundesnachrichtendienstes nach Deutschland fliegen. Ein Skandal? Oder eine Lappalie? Die Presse diskutiert.
Laut den Badischen Neueste Nachrichten hätte es Entwicklungsminister Dirk Niebel einfach besser wissen müssen. Denn schließlich war er es, der als FDP-Generalsekretär schwere Geschütze auffuhr, als sich die frühere SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt in eine Dienstwagenaffäre verstrickte. Niebel schrieb damals: "Hätte sie von Anfang an die private Bezahlung zugesichert, hätte sie sich und dem Land viel Ärger erspart." Die Badischen Neuesten Nachrichten schreiben jetzt: "Hätte er nur auf sich selber gehört, hätte er sich ebenfalls viel Ärger ersparen können."
Der Kölner Stadt-Anzeiger sieht das ähnlich: "Weder liegt eine Auslegungsfrage zugrunde, noch geht es um irgendein Ermessen oder eine Grauzone - der Minister hat in platter Eindeutigkeit Privilegien und Amtsbonus dreist zum eigenen Vorteil genutzt", schreibt das Blatt. Weniger schwer wiegt laut der Zeitung der materielle Aspekt. Der Teppich kostete laut Niebel 1000 Euro. Die Abgaben belaufen sich da laut Finanzministerium auf 200 Euro. Vielmehr verstört die Zeitung "das ministerielle Schnäppchenjägertum, der Wunsch, sich über die Regeln aller zu erheben." Niebel sei sich selbst sein ärgster Feind. "Er reist mit Landsermütze durch die Welt, als sei das alles ein Ego-Trip. Ganz offenbar ist die Mütze Programm."
Noch schärfere Kritik äußert nur die Frankfurter Rundschau: "Der Skandal ist die Geisteshaltung, die sich da offenbart. Der weiße Mann kauft im Entwicklungsland günstig fein geknüpfte Teppichware und lässt sie sich von den Dienstboten nach Hause schaffen. Es ist diese Schnäppchen-Herrscher-Mentalität mit kolonialistischem Nebenton, die einen so abstößt."
Herrscher-Mentalität, kolonialistischer Nebenton? Ein Rücktrittsgrund? Nicht für die Rhein-Neckar-Zeitung. "Der Schaden ist gering, die Einsicht in falsches Handeln wird demonstriert und der sehr deutliche Rüffel von Angela Merkel kann durchaus als letzter, aber eben doch Warnschuss verstanden werden", schreibt das Blatt. Dennoch muss sich Niebel laut der Zeitung darauf gefasst machen, dass "Teppichologen" jetzt ganz genau nachschauen, ob das gute Stück vielleicht durch Kinderarbeit entstanden ist. "Doch dieses Kapitel hat dann weniger mit dem eigentlichen Skandal zu tun, sondern damit, dass sich Niebel als sehr energischer Entwicklungsminister viel Feinde gemacht hat - gerade im eigenen Haus."
Der Nordbayerische Kurier versteht im Gegensatz zu den meisten anderen Medien das Aufsehen, das der Textildeal nach sich zieht, nicht. "Niebel hat für 1000 Euro einen Teppich gekauft und konnte ihn auf dem Linienflug nicht mitnehmen, der Nachversand geriet offenbar außer Kontrolle." Wer glaubt, dem Minister daraus einen Strick drehen zu wollen, der denkt laut dem Blatt kleinkariert. "Macht Euch lieber Gedanken über eine Zukunft für das vom Krieg ausgezehrte Afghanistan, oder die deutsche Entwicklungspolitik in Zeiten der Finanzkrise, oder wenigstens über einen Minister, der sein eigenes Ressort schon mal abschaffen wollte, weil es überflüssig sei", schreibt das Blatt. Aus Niebels "Afghanen-Schmuggel" eine Affärengeschichte stricken zu wollen, findet der Kurier dagegen lächerlich und mahnt: "Bitte auf dem Teppich bleiben!"
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Thomas E. Schmidt