Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen "Ein Triumph für Rot-Grün"
13.05.2012, 20:30 Uhr
Das Duell ist entschieden: Norbert Röttgen tritt als CDU-Landschef zurück und Hannelore Kraft bleibt Ministerpräsidentin in NRW.
(Foto: REUTERS)
Mit dem desaströsen Abschneiden in Nordrhein-Westfalen erreicht die CDU einen historischen Tiefpunkt - Norbert Röttgen zieht die Konsequenz und tritt vom Amt des Landeschefs zurück. Hannelore Kraft hingegen hat allen Grund zum Jubeln. Sie ist die große Gewinnerin des Wahlabends und kann ihre Wunschkoalition mit den Grünen bilden. Klare Verhältnisse in NRW - und ein Zeichen für die Bundestagswahl 2013?
"Ein SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück oder Steinmeier oder Gabriel - im Angesicht dieser Siegerin? Undenkbar", prescht die Rhein-Neckar-Zeitung vor. Denn "Kraft hat es als erste Genossin geschafft, die Entfremdung von der Basis vergessen zu lassen. Während Hartz IV und die Rente mit 67 immer noch als Hinterlassenschaften von Schröder und Müntefering wie Mühlsteine an den Umfragewerten der Bundespartei hängen, vermochte es die Frau aus Mühlheim an der Ruhr, den Glauben der Sozialdemokraten an die eigenen Werte wieder zu festigen. In NRW ist die SPD seit Sonntagabend wieder Volkspartei."
"Das war kein Wahlsieg, das war ein Triumph für Rot-Grün, vor allem für die SPD. Es gibt sie also doch noch, aller Piraterie und sonstigen Einflüssen zum Trotz: die eigene Mehrheit der Wunschpartner." Auch das Mindener Tageblatt versteht das Wahlergebnis als eindeutiges Signal, das ein Jahr vor der Bundestagswahl "den Berliner Zentralen von SPD und Grüne Zentnerlasten von den Seelen heben" wird. Gleichzeitig gestalte sich nun die Suche nach einem Spitzenkandidaten komplizierter, denn der Wahlerfolg zeigt auch, "wie wichtig Führungspersönlichkeiten mit Ausstrahlung über das eigene Parteimilieu hinaus sind. Hannelore Kraft jedenfalls kann sich den Sieg an ihr persönliches Revers stecken."
"Hannelore Kraft hat gezeigt, dass auch im bunter gewordenen Parteiensystem, zweifarbige Mehrheiten noch möglich sind", stellt auch die Main-Post fest. "Damit gibt sie der eigenen Partei enormen Rückenwind fürs Superwahljahr 2013. Angela Merkel hingegen verliert eine Machtoption nach der anderen. Norbert Röttgen wäre der Mann für Schwarz-Grün gewesen. Er führte einen so katastrophalen Wahlkampf, dass man ihm nicht mal mehr zutraut, die Scherben zusammen zu kehren. Nicht nur in NRW hat seine Karriere ihren Höhepunkt überschritten."
"Röttgens grottenschlechter Landtagswahlkampf ist nicht mehr steigerungsfähig", resümiert auch die Leipziger Volkszeitung. Deswegen habe er sich jetzt auch bis auf Weiteres "von der Bühne der wichtigen Entscheider verabschiedet", mit dem Ergebnis, dass "in Merkels Union nun ganz sicher die Messer gewetzt" werden und CSU-Chef Horst Seehofer "seinen politischen Hungerstreik 'gegen die da in Berlin' ausweiten" wird. Für die Zeitung steht fest, das jetzt "in der Union Infektionsgefahr" herrsche und eigentlich im Bund Neuwahlen fällig wären,"würde es den Regierenden darum gehen, weiteren Schaden vom Land abzuwenden", denn "die bürgerliche Rumpel-Koalition- und nicht nur Norbert Röttgen - wird zur Belastung des Standortes Deutschland."
"Innerhalb von acht Wochen ist aus dem glänzenden Politiker Röttgen, der viel erreicht, noch mehr gewollt und sich alles zugetraut hat, ein Kanzlerkandidat in spe a.D. geworden", kommentiert die Süddeutsche Zeitung. "Für die Zukunft der CDU ist das Ausmaß der Niederlage auch deswegen bitter, weil Röttgen eigentlich für eine moderne, aufgeklärte, grün angehauchte CDU steht. Nun werden die Konservativen in der CDU Oberwasser kriegen. Eine CDU freilich, die noch immer gegen Mindestlöhne ist und den Frauen Herdprämien zahlt, hat in einem Deutschland mit wachsenden halblinken Mehrheiten schlechte Chancen. Diese halblinken Mehrheiten kommen derzeit nur deshalb nicht machtvoll zum Zug, weil sie auf mittlerweile vier Parteien aufgeteilt sind - SPD, Grüne, Piraten und Linkspartei. Das erleichtert es der Union, den Ernst ihrer Lage zu verkennen."
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Katja Sembritzki