Deutschland ist im UN-Sicherheitsrat Ein "wahrer Glücksgriff"?
12.10.2010, 20:22 UhrDeutschland ist als nicht-ständiges Mitglied in den UN-Sicherheitsrat gewählt worden. Zwar ist der Entscheidung keine diplomatische Glanzleistung vorausgegangen, aber Außenminister Westerwelle kann einen Erfolg verbuchen. Jetzt ist er allerdings in der Pflicht, endlich außenpolitische Akzente zu setzen.
"Deutschland kann zwar jubeln, doch eine Glanzleistung der Diplomatie war es nicht, dass sich mit Deutschland und Portugal zwei EU-Staaten um einen der nichtständigen Plätze gestritten haben." Denn die EU plädiert für einen gemeinsamen Sitz in der UN. Da sende man mit einer solchen "Kampfkandidatur" nicht gerade ein positives Signal, findet die Leipziger Volkszeitung. "Deutschland, das als drittgrößter Rechnungszahler verständlicherweise auch mehr Mitsprache bei der Menügestaltung wünscht, versteht unter Uno-Reform auch einen ständigen Sitz für sich. Um diesen Anspruch politisch zu untermauern, sollte Berlin aber zulegen bei seinem internationalen Engagement, ob bei Klimaschutz oder Abrüstung. Denn die Uno ist nur so gut wie ihre Mitglieder."
"Gemessen an der leicht abgewandelten Weisheit 'Wer zahlt, will zumindest mitreden' ist ein temporärer Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen für Deutschland im Grunde genommen eine Selbstverständlichkeit", meint der Münchner Merkur, denn "die Zeiten, als die Deutschen behaglich in einer weltpolitischen Nische hausten und stereotyp auf die USA deuteten, wenn es irgendwo auf der Erde brannte, sind längst Geschichte. Das Land hat sich seiner gewachsenen Verantwortung seit dem Ende des Kalten Krieges gestellt. Vor diesem Hintergrund in vornehmer Zurückhaltung zu erstarren, während andere bestimmen, würde weder dem politischen Gewicht Deutschlands gerecht noch wäre es auf Dauer dem Steuerzahler zu vermitteln. Außenminister Westerwelle, der tapfer für den deutschen Sitz geworben hatte, darf sich jetzt im Glanz eines ehrlich verdienten außenpolitischen Erfolges sonnen."
Die Frankfurter Rundschau sieht allerdings nach der Entscheidung Außenminister Westerwelle in der Plicht. Er müsse den Erfolg "als Weckruf" verstehen, "dass sich Außenpolitik eben nicht in überfreundlichen Worten, abstrakten Verabredungen und wohlfeilen Erklärungen erschöpft. Westerwelle muss nun endlich eigene außenpolitische Akzente setzen. Er muss die Vereinten Nationen stärken, statt die exklusiveren G8- oder G20-Formate zu bevorzugen, die die Unterteilung der Welt in Arm und Reich, in Schwach und Mächtig, in Wichtig und weniger Wichtig zementieren. So, und nur so, könnte sich die Wahl von New York als wahrer Glücksgriff für den Außenpolitiker Westerwelle entpuppen und für Deutschland."
Ob die Wahl Deutschlands in den UN-Sicherheitsrat eine für das Land kluge Entscheidung ist, bezweifelt die Stuttgarter Zeitung und erinnert an die letzte Mitgliedschaft vor sieben Jahren, als Deutschland in einen Interessenkonflikt geriet: "Die USA marschierten im Jahr 2003 in den Irak ein. Die damalige Bundesregierung lehnte diesen Krieg ab. In der Folge musste sie in Sachen Irak mit Enthaltungen den Spagat zwischen transatlantischer Bündnistreue und tatsächlicher Überzeugung üben. Die Konfliktfelder auf dem Globus sind seither nicht weniger geworden. Deutschland engagiert sich an zahlreichen Brennpunkten auf der Welt. Das ist zu begrüßen. Womöglich wird der Sitz im UN-Sicherheitsrat der Durchsetzung dieser Interessen im einen oder anderen Fall eher schaden als nützen."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Katja Sembritzki