Linke nominiert Jochimsen "Eine Frau von vorgestern"
08.06.2010, 21:22 Uhr
Luc Jochimsen
(Foto: REUTERS)
Wie gut, dass es die Linke gibt, wie gut, dass ihr Verhältnis zur DDR noch immer - sagen wir - ungeklärt ist. Gut für die schwarz-gelbe Koalition. Sie kann nun vergleichsweise sicher sein, dass ihr Bundespräsidentenkandidat Christian Wulff gewählt wird. Denn einen Stasi-Aufklärer zu wählen, kommt für Gysis linke Truppe nicht infrage. Sie präsentiert eine eigene Kandidatin - eine Frau aus dem Westen. Denn allzu ostig will die gesamtdeutsche Linke ja nicht wirken.
"Fünf Tage hat die Linke gebraucht, um sich vom rot-grünen Überraschungsangriff zu erholen", diagnostiziert die Leipziger Volkszeitung. "Ihre kakophonischen Reaktionen zwischen dezenter Zustimmung für Gauck, vor allem von DDR-unbelasteten Vertretern wie dem Thüringer Linken-Fraktionschef Bodo Ramelow, und strikter Ablehnung zeigen, dass der rot-grüne Gauck-Coup nicht nur Schwarz-Gelb auf dem falschen Fuß erwischt hat." Doch was hat die Partei gewonnen? Nicht viel: "Die Nominierung der Ex-Fernsehjournalistin Luc Jochimsen macht die Ausgangslage für die Linken nicht besser. Mit Blick auf die wutschnaubenden Attacken gegen Gauck, der als Mann von gestern als nicht wählbar hingestellt wird, wirkt es allerdings fast schon hilflos, wenn die Linken-Spitze mit der 74-Jährigen Jochimsem eine Frau von vorgestern ins Rennen schickt."
Dass die Linke "den weithin geachteten Parteilosen Gauck aus Eigensinn nicht akzeptieren" wolle, habe Konsequenzen, schreibt die Mitteldeutsche Zeitung aus Halle. "Die eine betrifft das Selbstverständnis der Partei, jenseits der angestammten Wählerschaft Interesse wecken zu wollen - nicht zuletzt durch einen glaubwürdigen Schnitt entlang der eigenen Geschichte. Wenn man aber einem Mann wie Gauck, der als erster und überaus redlicher Hüter der Stasi-Akten einen wesentlichen Anteil an der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit hat, die Anerkennung verweigert, bezieht man zugleich Position: Nicht nur gegen eine ehrenwerte Person, sondern auch gegen die Haltung, für die sie stand und steht."
"Nun können sich Merkel, Wulff, Westerwelle und Seehofer bei der Linken-Doppelspitze Lötzsch und Ernst ganz herzlich bedanken", meint auch der Weser-Kurier aus Bremen. "Die von den beiden durchgedrückte Kandidatur Jochimsens macht einen Durchmarsch Wulffs wahrscheinlicher als je zuvor." Zugleich sei "die Atmosphäre für irgendwelche rot-rot-grünen Koalitionsträumereien auf längere Sicht nachhaltig vergiftet - Merkels Mundwinkel dürften gestern locker die Ohrläppchen erreicht haben".
Für die Wetzlarer Neue Zeitung ist Luc Jochimsen "nichts anderes als eine Beruhigungspille für die Anhänger des DDR-Unrechtsstaates". Das Dilemma, Gauck nicht einfach wählen zu können, zeige das wahre Gesicht der Linkspartei: "Rückwärts gewandt will sie die soziale Zukunft Deutschlands mitgestalten. Die Zukunft eines Landes, das es ohne Menschen wie Joachim Gauck gar nicht gäbe. Den die rückwärtsgewandte Partei aber ablehnt, weil er einst ihre Unmenschlichkeit entlarvte. Nun hat Gauck die Linkspartei - durch seine Kandidatur - ein zweites Mal enttarnt."
Quelle: ntv.de