Ukraine stoppt EU-Annäherung Europa nicht mehr Leuchtturm der Hoffnung
21.11.2013, 20:56 Uhr
Durch den Stopp der Vorbereitungen für ein Assoziierungsabkommen mit der EU rückt die Ukraine wieder näher an Moskau. In der deutschen Presse gilt Wladimir Putin daher einhellig als Gewinner. Unklar ist indes, welche Rolle die EU dabei gespielt hat.
Das ukrainische Parlament hat sich dem Druck Russlands gebeugt und eine weitere Annäherung an die Europäische Union vorerst auf Eis gelegt - Moskaus Öl- und Gasdiplomatie hat damit einmal mehr ihr Ziel erreicht. Kontroverser betrachtet die Deutsche Presse jedoch die EU selbst. War sie der russischen Realpolitik ganz einfach unterlegen? Oder hat Europa es im Fall Timoschenko der Ukraine gegenüber an Respekt fehlen lassen?

Putins Russland will um keinen Preis weiteren Einfluss westlich seiner Landesgrenzen verlieren - aber wieviel liegt der EU an der Ukraine?
(Foto: picture alliance / dpa)
"Viktor Janukowitsch, der Präsident aus der russischsprachigen Ost-Ukraine", habe sich lange als "unerwartet weitsichtiger Europa-Politiker" gegeben, befindet die Frankfurter Rundschau. Diese Maske sei nun gefallen. "Die Vorteile des Assoziierungsabkommens sind abstrakt, sie sind nicht messbar in Dollar oder Euro", meint die Zeitung und stellt dem die handfesten Drohungen aus Moskau gegenüber. Die am Ende auf ein politisches Armdrücken reduzierte Entscheidung habe Putin zwar gewonnen, "nur sollte er gewarnt sein, dass auch er die Kiewer Politik nicht vorhersehen kann."
"Bis zum EU-Gipfel wird sich der Konflikt wohl nicht lösen lassen", schreibt der Tagesspiegel aus Berlin. Zwar sollten bei diesem keine falschen Kompromisse eingegangen werden, doch ebenso gelte es zu verhindern, dass aus dem derzeitigen Nein der Ukraine eine permanente Entfremdung gegenüber Europa wird. Die EU sollte daher über einen Plan B nachdenken, mit dem die Ukraine dem Druck aus Moskau widerstehen kann. "Womöglich kommt diese Gelegenheit erst 2015, wenn das Land einen neuen Präsidenten wählt", doch der Schock nach der Zurückweisung der europäischen Hand könnte die Bürger tiefer darüber nachdenken lassen, wen sie zu ihrem Präsidenten wählen.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung betrachtet die Ukraine als besonders verwundbar, da sie "von einer Clique beherrscht wird, der persönliche Macht und Gewinn wichtiger sind als das Schicksal des Landes". Deren Klage, dass die EU nicht genug zur Kompensation der durch den Druck Russlands drohenden Verluste getan habe, bezeichnet die Zeitung entsprechend als dreist. Denn Europa habe Kiew durchaus unterstützt, "etwa bei seinem Streben, sich aus der Abhängigkeit von russischem Gas zu befreien". Es sei schwierig, einem notorisch wortbrüchigen Regime Kredit zu geben – aber dennoch sollte die EU der Ukraine die Tür offenhalten. Nicht zuletzt, um Putin mit Blick auf die EU-Mitglieder in Ostmitteleuropa nicht noch weiter zu ermutigen.
Die Lübecker Nachrichten stellen fest, dass Europa "derzeit nicht mehr der Leuchtturm der Hoffnung zu sein" scheine, in dessen Licht auch umliegende Länder über sich hinauswachsen wollen. In jedem Fall hat es die Ukraine im Fall der Oppositionsführerin Julia Timoschenko nicht zu einem Umdenken und der Gestattung der Ausreise der inhaftierten Politikerin zwecks Behandlung bewegen können. Einen möglichen Grund sieht das Blatt in der "Quasi-Erpressung, entweder ihr gehorcht dem EU-Befehl, oder ihr kommt bei uns nicht rein", die in Kiew nicht gerade wohlwollend aufgenommen wurde. Etwas mehr Diplomatie hätte aus Sicht der Zeitung mehr bewirken können.
Ähnlich sieht dies die Märkische Oderzeitung aus Frankfurt an der Oder. In erster Linie sei es zwar "die Entschiedenheit und der Druck, mit denen Moskau den Kampf um seine Einfluss-Sphäre führte" gewesen. Schließlich habe Russland Kiew je nachdem, wie seine Entscheidung ausfallen würde, entweder große Vor- oder große Nachteile in Form der Preise für Öl und Gas Aussicht gestellt. Zudem habe es die EU jedoch "auch an Einfühlungsvermögen und zum Teil Respekt fehlen" lassen. "Beispielsweise hätte man die einseitige Abschaffung der Visapflicht durch Kiew schon längst erwidern können. Und dass die Causa Timoschenko so sehr zum Druckmittel gemacht wurde, empfanden viele Ukrainer auch als demütigend."
Quelle: ntv.de, bwe/dpa