Pressestimmen

Viel hilft nicht immer viel Familienpolitik in Zeiten des Wahlkampfs

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Die Union will nach der Wahl das System von Ehegattensplitting, Kindergeld und Steuerfreibeträgen weiterentwickeln - zu einem "faktischen Familiensplitting". Was das kostet, wann die Pläne Wirklichkeit werden, und wie das alles bezahlt werden soll - das lässt die Familienministerin lieber offen. Die Kommentatoren meinen: Der Murks geht weiter.

Die Tageszeitung Die Welt schreibt: "Seit Jahren streiten die Deutschen darüber, ob die 200 Milliarden Euro, die der Staat hierzulande Ehepaaren und Familien gewährt, gut angelegt sind. Dabei ist der Löwenanteil der Summe gar nicht politisch veränderbar, sondern dient lediglich der verfassungsrechtlich gebotenen fairen Besteuerung von Familien. Wenn Kritiker der heutigen Familienpolitik vorwerfen, mit 156 unterschiedlichen Leistungen mal die Berufstätigkeit der Frauen und mal die traditionelle Arbeitsteilung zu fördern, zeugt dies von einer Wunschvorstellung, dass alle Familien gefälligst im Gleichschritt marschieren sollten. Wieder will man insbesondere den Müttern vorschreiben, wie sie zu leben haben. Das aber ist rückwärtsgewandte Familienpolitik, die nicht zu einer liberalen Gesellschaft passt."

Familienministerin Schröder und Finanzminister Schäuble beantworten die Fragen der Journalisten.

Familienministerin Schröder und Finanzminister Schäuble beantworten die Fragen der Journalisten.

(Foto: dpa)

"Natürlich ist es gut, wenn insbesondere Mütter sich möglichst wenig Sorgen um ihre Zukunft machen müssen, falls sie sich für ein Kind entscheiden", meint die Frankfurter Allgemeine Zeitung und fährt fort: "Diese Sorgen hat übrigens das 'modernisierte' Unterhaltsrecht nicht gerade verkleinert. Kaum Sorgen haben nur diejenigen, für die Kinder einfach zum Leben dazugehören. Es ist bezeichnend, wenn auch nicht wirklich überraschend, dass in einem Land mit viel Wohlstand, aber wenig Werten der Nachwuchs zum Statussymbol oder Rechenposten verkommt. Dabei ist auch die Geburtenrate kein Wert an sich. Der Staat kann und muss Anreize setzen, ein kinderfreundliches Klima schaffen - von der Ausbildung bis zur Arbeitswelt. Das muss nicht zwangsläufig teuer, es muss aber sozial sein. Warum soll eine gute Kinderbetreuung gänzlich kostenlos sein, gar für alle?"

Im Bonner General-Anzeiger ist zu lesen, was in der Familienpolitik nicht stimmt: Nämlich die soziale Gewichtung. "Wenn die Steuerentlastung bei einem Spitzenverdiener mehr als 250 Euro pro Kind und Monat beträgt, der Normal- oder Geringverdiener aber 184 Euro für das erste oder zweite Kind erhält, kann das nicht richtig sein. Die Pläne von Schäuble und Schröder zur Erhöhung von Kinderfreibetrag und Kindergeld würden daran aber nichts ändern. Dem Staat sollte jedes Kind gleich viel Wert sein."

"Unabhängig davon, wie die Gesamtanalyse zur Familienpolitik, die erst im Herbst vorliegen soll, ausfallen wird, ist eigentlich schon heute klar", meint die Freie Presse: "Familienpolitik sollte Rahmenbedingungen schaffen, die Paare animiert, Kinder zu bekommen, und es ihnen gleichzeitig ermöglicht, ihr bevorzugtes, individuelles Familienmodell zu leben. Die Realität lässt sich nun mal nicht in schwarz und weiß einteilen. Erfolgreiche Familienpolitik tappt nicht in Ideologiefallen, sondern schließt Gräben. Und erfolgreiche Familienpolitiker schauen Eltern genau aufs Maul - nicht, weil die Wahl immer näher rückt und Eltern den Parteien ihre Stimme geben, die die besten familienpolitischen Vorschläge machen. Sondern weil es an der Zeit ist, Familienpolitik zu betreiben, die nicht an der Realität der Betroffenen vorbeigeht. Selbstbeweihräucherung ist hier fehl am Platz."

"Die Union, vertreten durch ihre Familienministerin, betreibt Etikettenschwindel", beklagt die Sächsische Zeitung: "Sie tut so, als ob sie Familien steuerlich künftig grundsätzlich erheblich besserzustellen gedenkt. Wie jeder ordentliche Propagandist führt Frau Schröder dazu eine nebulöse irreführende Formulierung neu ein: Man wolle nach der Wahl 'faktisch' ein Familiensplitting. Dabei hat die Idee mit dem, was man bisher unter Familiensplitting versteht, nichts zu tun. Denn nehme man sie ernst, würde die Steuerbelastung von Familien durch die ernsthafte Einberechnung der Kinder dramatisch vermindert. Die Folge: Familien hätten wirklich spürbar mehr in der Familienkasse."

"Kein Kurswechsel, vielmehr ein 'Weiter so' und etwas mehr Geld für jede Familie: So lässt sich das politische Ziel der Unionsparteien zusammenfassen", ist in der Neuen Osnabrücker Zeitung zu lesen. "Was Familienministerin Kristina Schröder und Finanzminister Wolfgang Schäuble präsentiert haben, ist in mehrfacher Hinsicht ein Kompromiss: Der Bundeshaushalt würde nicht über Gebühr belastet. Und das Ehegattensplitting, bei dem die Vorteile für Paare umso größer sind, je mehr sich die Einkommen von Frau und Mann unterscheiden, würde nicht abgeschafft. Für gut gestellte Familien gäbe es ebenso Verbesserungen wie für ärmere. Denn auch die Frage, wie jene profitieren, die keine Steuern zahlen, wäre durch ein höheres Kindergeld zufriedenstellend beantwortet.

"Bleibt die Frage, warum man jahrelang Wissenschaftler für viele Millionen Euro beschäftigte, um am Ende festzustellen, dass alles in Ordnung ist. Nur ein Nutzen scheint nachweisbar: Die Regierung kann sich selbst loben." So kommentiert kurz und knapp die Märkische Allgemeine die Familienpolitik der Union kurz vor der Bundestagwahl im September.

Quelle: ntv.de

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