Pressestimmen

Truppenabzug aus dem Irak Für die USA "nur eine Episode"

Nach mehr als sieben Jahren US-Einsatz im Irak fällt die Presse ein vernichtendes Urteil: "Am Irak-Krieg war alles falsch." Das Land ist zerstritten und instabil, von Demokratie weit entfernt. Amerika steht weiter in der Verantwortung. Und befindet sich weiter im Krieg. Denn die Krisenherde Afghanistan und Iran brodeln schon.

Die letzten US-Kampftruppen verlassen den Irak. Von einem erfolgreichen Einsatz kann kaum die Rede sein, meint die Presse.

Die letzten US-Kampftruppen verlassen den Irak. Von einem erfolgreichen Einsatz kann kaum die Rede sein, meint die Presse.

(Foto: APN)

Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung haben die USA eine Verantwortung, aus der sich nicht davonstehlen können. "Sie bleiben, mindestens im übertragenen Sinne, für das Land verantwortlich, in dessen militärisch erzwungene Neuordnung sie rund eine Billion Dollar investiert haben." Das sei eine Investition, die man nicht einfach abschreiben könne und dürfe. Es stehen schwierige Zeiten bevor: "Für Präsident Obama, der in Afghanistan heute auf jenen General setzt, der vor drei Jahren die Wende im Irak schaffte und das Land vor dem totalen Bürgerkrieg bewahrte, schlägt 2011 die Stunde der Wahrheit: wenn amerikanische Soldaten doch noch länger gebraucht werden, wenn die irakische Führung ihn um die Verlängerung der militärischen Mission bitten sollte."

Das Urteil der Lübecker Nachrichten über den Irak-Einsatz fällt negativ aus: "Mehr als sieben Jahre sind seit dem Einmarsch der USA und ihrer Verbündeten im Irak vergangen. Die Bilanz von sieben Jahren Krieg: Die verhasste Diktatur Saddam Husseins wurde gestürzt. Die ethnischen und religiösen Gruppen im Land aber sind zerstrittener denn je. Anschläge sind allgegenwärtig. Die Musterdemokratie, die als leuchtendes Beispiel für die Nachbarn aus den Trümmern des Regimes entstehen sollte, bietet ein eher abschreckendes Bild. Auch fünf Monate nach der Wahl wird um die Regierungsbildung gefeilscht." Wenn die USA ihre Kampftruppen nun abziehen, hinterlassen sie "ein Land mit einer ungewissen Zukunft". "Das wiegt umso schwerer, weil nebenan ein neuer Krisenherd brodelt: Iran mit seiner Atompolitik."

Die Nürnberger Nachichten ziehen ebenfalls keine positivere Bilanz, im Gegenteil: "Am Irak-Krieg war alles falsch. Bush hatte damals versprochen, die Welt würde durch den Sturz von Saddam Hussein ein besserer Platz. Das Gegenteil ist richtig. Die völkerrechtswidrige Invasion hat den Planeten noch unsicherer gemacht. Der islamistische Terror ist nicht ausgemerzt, sondern geradezu genährt worden. Auch Demokratie ist keineswegs in den Nahen Osten exportiert worden." Heute sei diese brandgefährliche Region instabiler denn je. Für das Blatt hätte es eine Alternative gegeben: "Wäre auch nur ein Bruchteil der aberwitzigen Milliardensummen in langfristige weltweite Entwicklungshilfe gesteckt worden, sähe die Welt heute besser aus. Von den zahllosen unschuldigen Todesopfern, die der Krieg und der religiös verbrämte Terror auch zwischen Schiiten und Sunniten gefordert haben, ganz zu schweigen."

"Die Konvois, die nachts über die Grenze nach Kuwait rollten markieren für Amerika selbst nur eine Episode", glauben die Badischen Neuesten Nachrichten. "So etwas wie eine gefühlte Verschnaufpause, die in Wahrheit eigentlich gar keine ist." Das Land bleibe im Krieg, denn in Afghanistan "droht Obama ein zweites Vietnam, immer mehr droht er sich zu verheddern in den Fallstricken". "Wahrscheinlich werden die Soldaten, die heute aus Nahost heimkehren, nach zwölf Monaten Pause an den Hindukusch verlegt. Nein, für die kriegsmüde Mehrheit der Amerikaner ändert sich an der Stimmungslage nichts. Der symbolische Abzug aus Bagdad ist kein Meilenstein, höchstens ein Meilensteinchen."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Nadin Härtwig

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