Liberales Dreikönigstreffen "Geht's nicht eine Nummer kleiner?"
06.01.2010, 21:14 UhrEine peinliche Veranstaltung: Statt übermütig zu werden, sollten sich Westerwelle und seine "Hilfs-Marktschreier" auf das Wesentliche konzentrieren: die Sacharbeit in der Koalition.

Westerwelle meldet sich als Parteivorsitzender zurück. Sein Ton gefällt der Presse nicht.
(Foto: dpa)
"Als Helmut Kohl in den 80er Jahren die Kanzlerschaft in Angriff nahm, versprach er eine 'geistig-moralische Wende'. Drei Jahrzehnte später nimmt nun FDP-Chef Guido Westerwelle Anleihe beim Altkanzler und gibt die 'geistig-politische Wende' als Losung aus." Dieser "historische Rückgriff auf die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung" könne sich jedoch leicht als Bumerang erweisen, mahnt die Ulmer Südwest Presse und erinnert daran, dass "Kohl in seiner Amtszeit - erinnert sei nur an die CDU-Spendenaffäre - den überhöhten Anspruch inhaltlich nicht überzeugend unterlegen konnte". Das Blatt ist überzeugt: "Vor dieser Schwierigkeit wird auch die FDP stehen - trotz des Verzichts auf die Moral-Keule."
Die Rhein-Neckar-Zeitung spricht von einem "Geburtsfehler der Koalition", an dem auch der "Dreikönigs-Knaller des FDP-Chefs" nichts ändere. Sie macht einen Zielkonflikt aus "zwischen seriöser Haushaltsführung und einer prinzipiell wünschenswerten Steuerentlastung", der nicht aufzulösen sei. "Jedenfalls nicht so, wie die FDP nach außen sagt, dass sie es sich vorstellt. Westerwelles geistig-politische Wende ist eher die öffentliche Rückmeldung eines Parteivorsitzenden, der in seinem Amt inzwischen unsichtbar geworden ist."
"Geht's nicht eine Nummer kleiner?", fragt sich der Wiesbadener Kurier. "Das zu Oppositionszeiten gewiss hilfreiche, überbordende Selbstbewusstsein der Liberalen steht jedenfalls in keinem Verhältnis zur ihrer bisher in der Regierung gezeigten Kompetenz. Solche Hybris, wie sie sich Westerwelle nach seinem 18-Prozent-Abenteuer vor Jahren sorgsam abgewöhnt hatte, gefährdet vielmehr die Sacharbeit in der Koalition und damit längerfristig den Erfolg beim Wähler. Nachdenken und Überprüfen des eingeschlagenen Kurses scheinen in Stuttgart nicht angesagt zu sein. Mit Selbstzweifeln überzeuge man niemanden, meint Fraktionschefin Homburger. Mit maßlosem Übermut indes erst recht nicht."
"Für den Titel der peinlichsten Veranstaltung des Jahres gibt es bereits einen heißen Anwärter: das Dreikönigstreffen der FDP", schreibt die Münchner Abendzeitung und hält es für "schwer erträglich", was "Westerwelle und seine Hilfs-Marktschreier da aufführen". Das sture Festhalten des Vizekanzlers daran, dass genug Geld für weitere 24 Milliarden Euro Steuergeschenke da ist, sei erschreckend. "Gelegentlich versucht die Außenwelt, die FDP von der Existenz der Wirtschaftskrise, Dingen wie Plus und Minus und anderen schnöden Bestandteilen der Wirklichkeit zu überzeugen - bisher mit wenig Erfolg. Nichts gegen gepflegte Visionen, vor allem in der Kunst. In der Politik wäre es begrüßenswert, wenn sich die Regierung so langsam mal wieder mit den tatsächlichen Problemen beschäftigen würde."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Nadin Härtwig