Bundeswehrreform "Guttenbergs Marschrichtung stimmt"
23.08.2010, 20:45 UhrDie Bundeswehr steht vor einer historischen Zäsur. Verteidigungsminister Guttenberg plant ein Aussetzen der Wehrpflicht, die Truppe soll zudem kleiner, aber einsatzfähiger werden. Das Echo der Presse auf die Pläne des Ministers ist nicht einhellig: Von einer mutigen Reform und Guttenbergs Meisterprüfung ist die Rede. Anderen hingegen gehen die Vorschläge nicht weit genug.
Die Leipziger Volkszeitung lobt die Pläne zur Neugestaltung der Bundeswehr: "Zu Guttenberg erweist sich als mutiger und zielgerichteter Reformer, wenn er neben der Aussetzung der Wehrpflicht auf eine Reduzierung der Truppenstärke setzt. Er will erreichen, was in Frankreich, Großbritannien und den USA längst umgesetzt und akzeptiert ist. Die Gegner des auf Dauer unvermeidlichen Bundeswehrumbaus bringen eine ganze Menge untauglicher Argumente gegen die Reformpläne vor. So dürfen Zehntausende junger Männer nicht nur deswegen eingezogen werden, weil ansonsten auch der Zivildienst verschwindet. Natürlich wird es die Bundeswehr ohne Wehrpflicht schwerer haben, qualifizierten Nachwuchs zu rekrutieren. Aber auch dafür wird es Lösungen geben wie gut gemachte Imagekampagnen oder bessere Bezahlung."
Auch die Münchner Abendzeitung ist voll des Lobes für den Verteidigungsminister: "Guttenberg liefert nach seinem Gesellenstück als Bundeswirtschaftsminister nun seine Meisterprüfung ab. Während die Union noch gerne Emotionen aus alten Zeiten pflegt, baut er nüchtern und pragmatisch die Truppe um. Der Russe kommt nicht mehr, der kalte Krieg ist längst Vergangenheit. Die noch immer auf die alte Landesverteidigung ausgerichtete Bundeswehr muss heute für ganz andere Aufgaben schlank und fit gemacht werden: Für höchst professionelle Auslandseinsätze. Dazu braucht es keine Wehrpflichtigen mehr. Die CSU ist inzwischen kleinlaut geworden. Auch die Kanzlerin hat sich von ihrem Verteidigungsminister überzeugen lassen. Denn der hat mal wieder Recht. Guttenbergs Marschrichtung stimmt."
"Dieser Verteidigungsminister versteht etwas von Tarnung. Guttenberg plant nichts weniger als eine historische Zäsur - die Abkehr von der Wehrpflicht. Aber statt mit donnernder Artillerie will er diese traditionsreiche Festung der Bundesrepublik im Schutze von Ablenkungs-Scharmützeln schleifen", kommentiert die Lüneburger Landeszeitung. "Freiwilligenarmee statt Berufsarmee" laute das Motto, "dem sich auch die Anhänger des 'Bürgers in Uniform' anschließen können sollen". Doch ob diese Strategie Erfolg haben werde, sei offen, denn die Bedrohungsszenarien für die Truppe seien vielfältig: "Vom islamistischen Terror über Klimakriege bis zur Verteidigung des einst vielleicht wieder bedrohten Landes. Vor dem gefährlichsten Feind - dem Rotstift - wird die Truppe ohnehin nur durch das Kanzlerinnenwort bewahrt, dass es keine Bundeswehr nach Kassenlage geben soll."
Der Berliner Zeitung hingegen geht die Reform nicht weit genug: "In ihrem Kern ist die Bundeswehr ein großes, schwer manövrierfähiges Gebilde, behindert von bürokratischen Fesseln, inneren Widersprüchen und mit enormem Potenzial zur Geldverschwendung. Daran wird auch die neuerliche Reform wenig ändern." Die sei zu unentschlossen, zu halbherzig: "Die Wehrpflicht wird formal beibehalten, aber faktisch abgeschafft. Die Truppe wird verkleinert, aber nicht konsequent genug umgebaut. Die wirklich reformunfähigen Teile der Streitkräfte, allen voran das Amt für Wehrtechnik und Beschaffung, bleiben unangetastet." Das Fazit des Blattes: "Zu Guttenberg bleibt auf halbem Wege stehen wie seine Vorgänger. Die unentschiedene Haltung zur Wehrpflicht ist Symptom dafür, dass inzwischen auch der Jungstar der Union lieber kleine Schritte macht, als einen mutigen Sprung zu wagen."
"Die eigentliche Debatte wird gar nicht geführt", bemängelt die Märkische Oderzeitung. "Was alle ahnten - nun ist es offiziell. Verteidigungsminister zu Guttenberg will sich von der allgemeinen Wehrpflicht verabschieden, sie zumindest erst einmal aussetzen." Die Meinung der Bundeskanzlerin sei indes unklar: Inwieweit sie da noch weiteren Klärungsbedarf sehe, "obgleich sie sich in der vergangenen Woche selbst dafür offen zeigte, bleibt allein ihr Geheimnis". Das Blatt bringt die Debatte auf eine gesellschaftliche Ebene: "Wehrdienstkritiker jedenfalls, die diesen Dienst eh nur für ein Relikt staatlicher Willkür halten, werden ihr Ziel bald erreicht haben. Für eine Gesellschaft, die sich vorzugsweise über individuellen Lebensstil wahrnimmt, den Staat bestenfalls als Adressaten permanenter Alimentierungsforderungen akzeptiert, passte ein Dienst an der Waffe schon lange nicht mehr ins Weltbild."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Nadin Härtwig