Krise in Griechenland Helfen, damit "Europa nicht stirbt"
15.06.2011, 20:43 UhrEuropa rangelt um neue Milliarden für die Griechen, während die sich mit Massenprotesten und Streiks gegen den Sparkurs ihrer Regierung auflehnen. Griechenland steckt in einer tiefen Krise. Um diese besser zu meistern, bietet Ministerpräsident Papandreou nun seinen Rücktritt an. Doch steuert das Land damit auf ein führerloses Chaos zu? Europa muss schnell und effektiv helfen, denn noch etwas Wichtiges steht auf dem Spiel: die europäische Idee.
"Renten werden gekürzt, Steuern erhöht, Sozialleistungen gekappt. Dass sie dabei auch bezahlen für die jahrelange Misswirtschaft ihrer Regierungen und für gefälschte Bilanzen beim Euro-Beitritt, wird die Griechen momentan wenig trösten", glaubt die Märkische Allgemeine.Das Blatt aus Potsdam schaut jedoch nicht nur auf Griechenland: "Hierzulande wird ein Rettungspaket nach dem anderen geschnürt, immer schwindelerregender werden die Summen, und stets heißt es: Es muss sein, ganz Europa steht auf dem Spiel. Die vermeintliche Alternativlosigkeit ermüdet auf Dauer." Zwar sei die einheitliche Währung ein wichtiges Projekt, dürfe aber nicht zum Selbstzweck werden. "Wenn die europäische Idee in den Hintergrund gerät angesichts des Gerangels ums Geld, wenn es nur noch um Kredite geht und nicht mehr um gemeinsame Werte und Ziele, dann läuft etwas grundfalsch."
Das Düsseldorfer Handelsblatt malt ein dunkles Szenario: "Schlimmstenfalls driftet das Land führungslos ins Chaos mit unabsehbaren Folgen für die Währungsunion. In dieser Situation kann sich die Euro-Zone keine endlosen Debatten über Art und Ausmaß der griechischen Umschuldung mehr leisten. Die Regierung in Athen braucht einen substanziellen Schuldenerlass." Die Zeitung fordert zum Handeln auf und macht einen konkreten Lösungsvorschlag: "Schäuble und Trichet könnten vom früheren US-Finanzminister Nicholas Brady lernen. Ähnlich könnten es die Europäer heute machen. Sie offerieren Griechenlands privaten Gläubigern im Tausch gegen alte Bonds neue Anleihen, die vom Euro-Rettungsfonds EFSF abgesichert sind. Im Gegenzug müssten die Banken einen Zinsabschlag und eine längere Laufzeit hinnehmen. Von dieser Lösung würden alle profitieren."
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung gewinnt der Krise etwas Gutes ab: "Vergessen wird oft, dass einige der jüngsten Reformen des Arbeitsmarkts Griechenland gerechter gemacht haben, was vor allem von der jüngeren Generation begrüßt wird. Gezeigt hat sich das bei der Öffnung der bisher 'geschlossenen Berufe', also jenen vormals zunftähnlich organisierten Branchen, zu denen ein Normalsterblicher keinen Zugang fand. Früher haben es die Griechen geduldet, wenn bestimmte Interessengruppen dem Staat, also der Allgemeinheit, ihren Willen aufzwangen und jeden Versuch unterbinden konnten, die systematische Wettbewerbsverzerrung zu ihren Gunsten zu beenden. Dass diese Duldsamkeit geringer geworden ist, dürfte die bisher beste Folge der Krise sein." Bedenklich sei jedoch, "dass viele junge, gut ausgebildete Griechen auf gepackten Koffern sitzen und ihre Heimat verlassen wollen".
"Das Gezerre um die Hilfe hat eine fatale Folge: Die Idee des gemeinsamen Europa, das Frieden, Freiheit und Wohlstand sichert, geht vor die Hunde", kommentiert die Braunschweiger Zeitung und sieht bereits Schaden angerichtet. Der sei schon so groß, "dass Griechenland zwar unterstützt wird, aber nur zähneknirschend und widerwillig". Die Zeit drängt: "Schlendrian herrscht bei allen EU-Ländern - und die Bundesrepublik hat sich in der Schröder-Ära mit ihren Verstößen gegen den verpflichtenden Stabilitätspakt selbst als ebenso scheinheiliger wie abgebrühter Sünder demaskiert. Griechenland muss geholfen werden - schnell und effektiv, damit Europa nicht stirbt, weil die Menschen sich angewidert abwenden."
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Nadin Härtwig