Pressestimmen

Syrisch-türkischer Konflikt eskaliert "Höchste Zeit für kluge Diplomatie"

Zwischen der Türkei und Syrien herrscht eine gereizte Stimmung. Nach dem Abschuss eines F4-Militärflugzeugs spielt Erdogan mit den Muskeln, während die Nato versucht, den Konflikt zu beruhigen. Auch die deutschen Tageszeitungen beschäftigt die Situation in der Region

Der Südkurier befindet den Abschuss als möglichen Anlass für den Bündnisfall. "Trotzdem tut die Nato gut daran, wenn sie es bei einer Verwarnung belässt, anstatt Truppen in Marsch zu setzen." Der Nato-Vertrag sei kein Automatismus, an dessen Ende der Krieg stehe. Vor allem so lange Umstände des Abschusses ungeklärt blieben. "Vor allem aber: Ein Eingreifen in Syrien ist und bleibt militärisch ein Abenteuer. Sollten dann noch Bodentruppen ins Spiel kommen, ließe sich die Nato auf ein Wagnis ein, das den Feldzug im Irak in den Schatten stellen könnte. Wenn der Westen klug ist, sucht er andere Druckmittel."

Von der heftigen türkischen Reaktion erschrocken zeigt sich die Berliner Zeitung: "Fieberhaft bemühen sich die Nato-Staaten, den Vorfall einzudämmen. Noch spricht niemand vom Bündnisfall. Eine weitere Eskalation wird die 27 anderen Mitglieder aber zwangsläufig hineinziehen in den Konflikt mit dem 'blutdürstigen Diktator' Baschar Al-Assad, wie Erdogan sagt. Höchste Zeit für kluge Diplomatie, dem Kriegsgetöse eine friedlichere Alternative entgegenzustellen - um Schlimmstes zu verhindern am Mittelmeer."

Pressestimmen.jpg

Der Münchner Kurier stellt die Situation in Zusammenhang mit der sonstigen Lage im Nahen Osten. "Auch wenn nur Winkeladvokaten im ungeklärten Abschuss eines türkischen Flugzeugs über syrischem Gebiet einen Angriff auf die Türkei sehen würden, sind alle Betroffenen gut beraten, den Zwischenfall auf kleiner Flamme zu kochen - trotz (oder wegen) dem verärgerten Bündnispartner in Ankara. Zuviel Sprengstoff (vom Palästina-Konflikt bis zum iranischen Atomprogramm) hat sich in der Region angesammelt, zu unterschiedlich sind die internationalen Interessenlagen, um aus Sicht der Nato eine militärische Lösung als sinnvolle Option zu betrachten."

Der Tagesspiegel kann der aggressiven Reaktion Erdogan auch Positives abgewinnen: Die Androhung türkischer Militärschläge auf syrische Truppen in Grenznähe "könnte jene Pufferzone für Regimegegner schaffen, die von der syrischen Opposition seit langem gefordert wird. Wenn alles gutgeht." Das sei jedoch ungewiss, "denn das Assad-Regime ist unberechenbar. So offenbart Erdogans Taktik eine gewisse Hilflosigkeit. Nach 16 Monaten Blutvergießen in Syrien kann die Diplomatie so gut wie keine Fortschritte vorweisen. Dass in einer solchen Lage die Logik des Krieges in den Vordergrund tritt, ist auch ein Armutszeugnis für alle Akteure im Syrien-Konflikt."

Der Mannheimer Morgen sieht in Erdogans Rede einen Beweis für das neue Selbstbild der Türkei. "Es ist natürlich klar, dass die selbstbewusste Türkei den Abschuss ihres Militärjets nicht einfach auf sich beruhen lassen kann. Die Türkei sieht sich im Nahen Osten inzwischen als eine führende Regionalmacht und verfolgt deshalb Interessen, die sich nicht immer mit denjenigen der Allianzpartner decken müssen. Die Schmach des Abschusses der F-4 Phantom passt zu diesem Selbstverständnis genauso wenig wie die Tötung von neun Türken durch das israelische Militär 2010."

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen