EU und USA besprechen Freihandelsabkommen "Ideenarmut und fehlende Herzenswärme"
08.07.2013, 20:57 Uhr
Die Bespitzeleien der USA haben nicht gerade dafür gesorgt, dass die Verhandlungen rund um ein Freihandelsabkommen zwischen Amerika und der EU Fahrt aufnehmen. Individuelle Animositäten der Länder überschatten die Verhandlungen im Vorfeld, doch die deutsche Presse ist sich einig: Die Freihandelszone wird kommen.

Gerade Deutschland als Exportland könnte von einem Abkommen profitieren.
(Foto: picture alliance / dpa)
"Die EU reagiert zwiespältig", stellen die Westfälischen Nachrichten fest. Man wolle sich einerseits nicht von Obama bevormunden lassen und reagiere andererseits fast beleidigt darauf, dass die USA das " zukunftsträchtige transpazifische Freihandelsabkommen" zur Priorität machen. Dabei käme es darauf an, abseits der Rivalitäten, offene Gespräche zu führen, so das Blatt.
Auch die Hannoversche Allgemeine Zeitung sieht im Freihandelsabkommen "eine Idee, deren Zeit gekommen ist". Das Blatt hält es darüber hinaus für vernünftig, "parallel ein europäisch-amerikanisches Datenschutzabkommen auszuhandeln". Weder Europäer noch Amerikaner sollten sich von der NSA-Affäre blockieren lassen. "Vor allem die Deutschen sollten jetzt nüchtern ihre nationalen Interessen sortieren." Als Exportland bestrafe das Land nicht andere, sondern nach Auffassung der Zeitung vor allem sich selbst, "wenn es als Antwort auf Geheimdienstaffären den Freihandel bremsen wollte".
Auch die Süddeutsche Zeitung findet eine "einfache Antwort" darauf, warum die Europäer mit den USA verhandeln, nachdem die Amerikaner die diplomatischen Vertretungen Europas verwanzt, transatlantische Glasfaserkabel angezapft und die E-Mails von Europäern durchkämmt haben: "Weil die Vereinigten Staaten auch nach den Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden der entscheidende strategische Partner Europas bleiben." Außerdem hätten die Bürger und die Wirtschaft der EU bei dem Projekt noch mehr zu gewinnen als die USA, so das Blatt. Deswegen habe "bei all dem Zorn" niemand in Brüssel oder Berlin daran gedacht, den Beginn der Freihandelsgespräche zu gefährden.
"Nüchternheit, Ideenarmut und fehlende Herzenswärme", so trist zeichnet die Welt dennoch das Bild des derzeitigen amerikanisch-europäischen Verhältnisses. Vor diesem Hintergrund, könnten die Verhandlungen zur Nebensächlichkeit verkommen, fürchtet das Blatt. "Sie sind es nicht und sollten es zu keinem Zeitpunkt sein", heißt es deswegen. "Welt" bezeichnet das Ziel einer atlantischen Freihandelszone als größtes Projekt des Westens im 21. Jahrhundert. Mahnt dabei jedoch, dass sich "die Wettbewerbsfähigkeit und die Idee des Freihandels" nur gemeinsam fördern lassen. Ein Abkommen könne die Stellung der USA und Europa innerhalb des globalen Wirtschaftskreislaufs stärken und ein Niedergang des Westens könne abgewendet werden.
Der Kölner Stadt-Anzeiger legt den Finger in die Wunde: " Es geht dabei um viele Details, um Missverständnisse und kulturelle Eigenarten." So habe zum Beispiel Frankreich Sonderbehandlung für Musik- und Filmindustrie gefordert. " Man mag das lächerlich finden", schreibt das Blatt, aber es gehe auch darum, in einer globalisierten Welt kulturelle Eigenheiten zu bewahren. Bei dem Abkommen stünden zwar Jobs und Wachstum im Zentrum, nicht außer Acht gelassen werden dürfe jedoch, dass zum Kern der transatlantischen Beziehungen auch gemeinsame Überzeugungen wie Rechtsstaat und Demokratie gehören.
"Eine Freihandelszone muss letztlich ein Kompromiss sein. Aber sie darf kein Kompromiss nach unten sein," schreibt die Ludwigsburger Kreiszeitung. Fragen, bei denen die Parteien noch zu weit auseinander lägen, solle man ausklammern, heißt es. Es verstünde sich jedoch von selbst, dass der Versuch des Abbaus von Handelsbarrieren Sinn ergebe. Dennoch weiß das Blatt: "Verhandeln heißt noch lange nicht beschließen."
Quelle: ntv.de