Pressestimmen

Griechenland kehrt an Kapitalmarkt zurück "Jubelmeldungen klingen wie Hohn"

Rechtzeitig zum Besuch der Kanzlerin kann die Regierung in Athen eine Zwischenerfolg im Kampf gegen die Schuldenkrise präsentieren: Griechenland kehrt an den Kapitalmarkt zurück. Doch die deutsche Presse ist sich einig, dass es für eine Entwarnung viel zu früh ist.

Noch immer protestieren die Griechen gegen die Austeritätsmaßnahmen.

Noch immer protestieren die Griechen gegen die Austeritätsmaßnahmen.

(Foto: dpa)

Die Eisenacher Presse traut den Jubelrufen aus  Griechenland nicht, denn "das Land kann den Kapitalmarkt nur anzapfen, weil in den vergangenen drei Jahren mehrfach die Mitglieder der Eurozone eingesprungen sind und dem klammen Südstaat aus seiner misslichen Lage geholfen haben. Anleger in aller Welt haben das zur Kenntnis genommen und gehen davon aus, dass sich die Hilfe im Zweifel wiederholt - das aber wäre eine erneute Vergemeinschaftung von Schulden, während die Gewinne aus den Anleihen selbstverständlich den Investoren zufließen."

Auch der General-Anzeiger glaubt Griechenland lange nicht gerettet. "Die internationalen Finanzinvestoren, die gestern die griechische Anleihe kauften, schenkten ihr Vertrauen nicht dem hellenischen Staat, sondern der Zusage der Euro-Länder und insbesondere der deutschen Bundeskanzlerin, Griechenland nicht fallen zu lassen. Der europäische Steuerzahler dient den Käufern als Sicherheit, nicht der griechische. (...) Von allen Euro-Schuldenstaaten bleibt Griechenland der mit dem größten Risikopotenzial. Oder, um im Bild vom Phönix zu bleiben: Außer der Asche, aus der der mythische Vogel hoffentlich aufsteigt, ist in Athen noch nicht viel zu sehen."

"Mit einem Mini-Wachstum kann Athen seinen gigantischen Schuldenberg nicht abtragen", sind sich die Badischen Neuesten Nachrichten aus Karlsruhe, und wo der große Aufschwung herkommen soll, wissen sie auch nicht. "Von Tourismus und Olivenöl-Export alleine sicher nicht. Die Frage nach weiteren Erleichterungen, wie niedrigeren Zinsen und längeren Laufzeiten für Kredite, könnte sich bald wieder stellen. Einen zweiten Schuldenerlass dürften die Euro-Partner mit Händen und Füßen abwehren wollen. Denn ein Großteil der griechischen Schulden liegt mittlerweile bei der öffentlichen Hand: sprich die Steuerzahler in Deutschland, Frankreich und Co müssten bluten."

Die Landeszeitung aus Lüneburg denkt nicht nur an möglichen Schaden für die deutschen, sondern auch an die griechischen Steuerzahler. "Diese Jubelmeldungen müssen den 28 Prozent Arbeitslosen in Griechenland wie Hohn in den Ohren klingen. An den Kapitalmärkten ist Griechenland zwar wieder eine gute Adresse, aber diese Renaissance ist teuer erkauft. Zu teuer. Am Ende könnte das Mutterland der Demokratie Feinden der Demokratie in den Schoß fallen - adrett herausgeputzt mit einem sanierten Haushalt und einem Handelsbilanzüberschuss. Denn der Athen von EU, EZB und IWF aufgedrückte Sparkurs mehrt den sozialen Sprengstoff. Neofaschistische Wahlerfolge, Pogrome gegen Einwanderer und Autobomben mutmaßlicher Linksautonome zeigen, wie gefährlich Griechenlands "feierliche Rückkehr an die Märkte" ist."

Die Frankfurter Rundschau glaubt, dass Europa vor allem mit Blick auf die anstehenden Europawahlen Erfolgsmeldungen nötig hatte. Diese kommen nun "ausgerechnet aus Griechenland. […] Sparen lohnt sich, so die Botschaft. Zumindest die fürs Ausland. In Griechenland zählt eine andere Sichtweise. Dort sind die harten Sparmaßnahmen nicht vergessen. Etwa, dass die Regierung lieber den Mindestlohn kürzte, als die Reeder steuerlich zur Kasse zu bitten. Vergessen sind auch nicht die Einschnitte im Gesundheitssystem und die Kürzung der Renten. Bei den Europawahlen im Mai wird deshalb ein Erfolg des Linkspopulisten Alexis Tsipras befürchtet. Vor allem die Sozialdemokraten müssen als Juniorpartner der Regierung mit harten Verlusten rechnen. Ein Sturz der Regierung wird nicht ausgeschlossen."

Zusammengestellt von Anna Veit

Quelle: ntv.de

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