Union einigt sich auf Mindestlohn "Kompatibel mit Großer Koalition"
25.04.2012, 21:16 Uhr
Die Union will flächendeckende Mindestlöhne einführen. Eine totale Kehrtwende der Partei? Durchschaubare Wahlkampftaktik? Oder vielleicht ein erster Schritt hin zu einer Koalition mit der SPD? Die Presse spekuliert und hat dabei wenig gute Worte für die CDU übrig.
Die Stuttgarter Zeitung übt grundsätzliche Kritik am Mindestlohn. "Auch wenn fast alle Parteien für Mindestlöhne sind, ist der Nutzen doch fraglich", schreibt das Blatt. "Schon die Große Koalition schuf mit dem Gesetz für Mindestarbeitsbedingungen die Möglichkeit, extrem niedrige Löhne anzuheben. Geholfen hat dieses Gesetz nicht. Deutschland ist gut damit gefahren, den Tarifpartnern die Lohnfindung zu überlassen. Dabei sollte es bleiben."
Mit ihrer Generalabrechnung mit dem Mindestlohn steht das Blatt aus Stuttgart indes recht allein da. Die meisten anderen Medien zielen mit ihrer Kritik viel mehr auf die CDU. Die Frankfurter Allgemeine wirft der Partei schlechtes Handwerk vor. "Sie hat ihren Mindestlohnstreit beigelegt, indem sich der Arbeitnehmerflügel durchgesetzt hat und die wenigen Wirtschaftspolitiker gute Miene zu dem Beschluss der gemeinsamen Arbeitsgruppe machen. (…) Natürlich hat man den Beschluss mit allerlei Klauseln garniert, die ihn nach Kräften politikfern und wirtschaftsverträglich erscheinen lassen."
Auch der Kommentator der Saarbrücker Zeitung glaubt, dass sich die Union mit ihrem Mindestlohnkompromiss verhoben hat – jedoch vor allem wegen des Koalitionspartners FDP. "Der Zoff über Vorratsdatenspeicherung, Frauenquote und Betreuungsgeld hält die Koalition eigentlich schon genug in Atem. Nun kommt noch ein weiteres Sprengstoffpakt hinzu: der Mindestlohn." Dass die Vorstellungen der Union noch bis Herbst 2013 ins Gesetzblatt kommen, bezweifelt das Blatt. "Es sei denn, sie riskiert dafür den Koalitionsbruch."
Dass die Union einen Koalitionsbruch in Kauf nimmt, schließt der Wiesbadener Kurier schon nicht mehr aus. "Mit der FDP ist weder eine gesetzliche noch sonst wie verbindliche Regelung zu machen. Die Liberalen können sich hier genauso auf den Koalitionsvertrag berufen, wie die CSU beim Betreuungsgeld." Für das Blatt stellt sich daher die Frage, wie lange die Union noch auf den kleinen Koalitionspartner Rücksicht nimmt, vor allem wenn der aus den Landtagen in Düsseldorf und Kiel fliegen sollte. "Die Konturen des (…) CDU-Mindestlohnmodells erscheinen jedenfalls durchaus kompatibel mit einer Großen Koalition. Angela Merkel und die Christdemokraten sind einmal mehr dabei, eine totale Kehrtwende vorzubereiten."
Allein die Kieler Nachrichten denken beim Vorhaben der Union nicht an den Koalitionsbruch oder schlechtes politisches Handwerk. "Die tarifoffene verbindliche Lohnuntergrenze, die von einer Kommission aus Gewerkschaften und Arbeitgebern ausgehandelt werden soll, schafft nicht alle Probleme aus der Welt. Aber es könnte eine Art positiver Sogwirkung geben." Nach Angaben des Blattes aus Schleswig-Holstein ist das Konzept anders als es die Opposition behauptet mehr als ein "Placebo". "Die Kommission erlaubt Differenzierung zwischen Branchen und Regionen. Das ist vernünftig. Das Modell hat einen Praxistest verdient."
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Thomas E. Schmitt