"Witzfigur" Berlusconi tritt ab "Lachen bleibt im Halse stecken"
08.11.2011, 20:59 UhrSilvio Berlusconi tritt zurück. Für viele ein längst überfälliger Schritt, die meisten haben einen freiwilligen Abgang dennoch nicht erwartet. Auch wenn die Kunde vom politischen Ende der "Witzfigur" und des "Möchtegern-Caesars" erfreulich ist, hat das Land "nichts zu lachen", im Gegenteil. Italiens Probleme werden den Cavaliere überdauern.

Ist sein Rücktritt eine bockige Reaktion? Passen würde das.
(Foto: dpa)
"So viel ist sicher: Der Cavaliere verlässt die politische Bühne Europas. Seine Regierung ist am Ende. Und nicht nur die Koalitionspartner hoffen, dass endlich ein anderer das Land führen möge. So weit, so erfreulich", kommentiert die Rhein-Neckar-Zeitung die Ankündigung Berlusconis zurücktreten zu wollen. Doch Italien ist damit nicht aus dem Schneider, glaubt das Blatt aus Heidelberg, denn es bleibe "auch nach dem Ende der Ära Berlusconi ein Schatten auf dem 'schönsten Land der Welt'. Es waren nämlich nicht die Italiener, die sich von ihren Operettenfürsten befreiten. Es waren die europäischen Nachbarn, es war der IWF, es waren die USA. Ohne den konzertierten Druck, der vom G20-Gipfel in Cannes ausging, hätte der Medienzar noch lange Italien im Stile eines Selbstbedienungsladen regieren können."
Die Frankfurter Rundschau entlarvt Italiens Premier als Mann leerer Worte: "Silvio Berlusconi hatte sich als Retter eines im Chaos untergehenden Italiens angeboten. Ihm sei es gelungen, seine Firma zu einer der größten Italiens zu machen, er werde auch aus dem schönen Italien, dem Bel Paese, ein florierendes Unternehmen machen. Nichts davon war wahr. Nichts davon ist wahr geworden." Stattdessen stehe Italien heute schlechter da als vor ihm. "Inzwischen ist Berlusconis Geschäftsmodell für Italien auch an den Börsen so sehr in Verruf geraten, dass von dort schrille Entzückensschreie zu hören sind, wenn er geht." Vor Berlusconis Ansichten warnt das Blatt: "Die Vorstellung, der Staat sei auch nur eine Art Unternehmen, hat auch bei uns immer wieder Konjunktur. Die Propagandisten dieser Auffassung übersehen gerne, dass der Staat neben der Bilanz auch noch eine Verfassung hat und dass die Bürger die Bürger und damit die Herren des Unternehmens sind."
"So bizarr die langjährige Treue der meisten Italiener zu ihrem eitlen Premier war, so irrational sind die Hoffnungen, alles würde sich mit dem abzusehenden Ende der Ära Berlusconi zum Guten wenden." Die Landeszeitung aus Lüneburg malt auch für die Zeit nach dem Rücktritt der "Witzfigur" schwarz, Italien habe "noch nichts zu lachen". "Die Probleme, die Berlusconi schuf oder verschärfte, werden ihn überdauern. Schon allein deswegen, weil sich der Taktiker seinen Rückzug vielleicht mit einem Fortschreiben seiner Immunität erkauft, etwa als Senator auf Lebenszeit. Bleibt die Vergangenheitsbewältigung in Sachen Berlusconismus aus, kann Italien weiter ausblenden, wie sehr sein demokratisches Bewusstsein unter dem Möchtegern-Caesar vermoderte und wie wenig das Land derzeit einem Machtmenschen entgegenzusetzen hätte, der mehr Format hat als Berlusconi."
Das sehen auch die Stuttgarter Nachrichten so: "Italiens Krise ist zwar eine Berlusconi-Krise. Ob allein schon ein Regierungswechsel den europaweiten Vertrauensschwund bremst, ist aber keinesfalls ausgemacht. Italiens Chancen darauf sinken mit jedem weiteren Tag, an dem Rom durcheinander schwätzt und die fälligen Entscheidungen vertagt."
"(...) Er hinterlässt ein bitteres Erbe, an dem nicht nur die Italiener, sondern alle Europäer ungeheuer schwer zu tragen haben werden. Seine Eskapaden mögen das Publikum amüsiert haben, das darüber das wahre Drama Italiens vergessen hat. Nach der Berlusconi-Dämmerung wird allen das Lachen im Halse steckenbleiben", prophezeit der Norbayerische Kurier.
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Nadin Härtwig