Pressestimmen

Lafontaine gibt auf "Linke völlig zerrissen"

Der Saar-Napoleon beendet endgültig seine innerparteiliche Karriere.

Der Saar-Napoleon beendet endgültig seine innerparteiliche Karriere.

(Foto: dapd)

Oskar Lafontaine macht endgültig Schluss mit der schon mal unterbrochenen Parteikarriere. Er tritt beim nächsten Zusammentreffen der Linken nicht mehr als Vorsitzender an. Die meisten Tageszeitungen werten das als klaren Sieg für Konkurrent Bartsch - sehen aber die Linke selbst vor immensen Problemen.

Die Dresdner Neuesten Nachrichten schreiben: "Da hat sich offenbar viel Frust über viele undankbare Linke, Reformer, Anpasser an die SPD, destruktive Kräfte niedergeschlagen. Lafontaine verzieht sich in den Schmollwinkel. Die enttäuschte Diva der Linken verlässt die Bühne. Aber gleichzeitig ist Lafontaines Verzicht auf ein Comeback an der Linken-Spitze eine Chance für die Partei. Nun kann sie sich endlich von ihrem Übervater emanzipieren, der es mit der innerparteilichen Demokratie nicht immer so genau nahm."

Die Braunschweiger Zeitung bemerkt: "Lafontaines Begründung klingt vernünftig, trifft aber nur teilweise den Kern: Er habe erkannt, dass er die innerparteiliche Situation nicht habe befrieden können. Das stimmt. Aber ein Lafontaine hat eben eigene Vorstellungen: Er möchte gerufen werden, Konkurrenz ist nur unterhalb der Lichtgestalt erwünscht. Das klappt nicht mehr wie früher, lautet die bittere demokratische Lehre."

Die Märkische Oderzeitung meint: Sichtbar wurde der hässliche, tiefe Riss, der durch die Partei geht. Der verläuft nicht eindeutig, aber doch weitgehend zwischen Ost und West. Es ist nicht viel zusammengewachsen bei den Linken. Daran ändert auch nichts, dass Lafontaine - mal wieder - einen Rückzug angetreten hat. Der kam, wie vorher die Kandidaturankündigung, zu spät. Denn die verfeindeten Lager bleiben. Die Lafontaine-Anhänger werden Genugtuung fordern. Dietmar Bartsch, wenn er nicht auch zurückzieht, wird das zu spüren bekommen. Es rächt sich eben, wenn innerparteiliche Demokratie dem Personenkult geopfert wird.

Die Sächsische Zeitung sieht für die Partei nicht viel gewonnen: "Den letzten Anstoß für Lafontaines Schritt könnte sein Intimus Gysi gegeben haben. Selbst dem kleinen Gregor, der vor Monaten noch seinen Freund Bartsch wegen Oskar hat über die Klinge springen lassen, gingen die Herrschaftsattitüden zu weit. Der Reiz des neuen war ohnehin schon länger vorbei. Doch mit dem Rückzug Lafontaines ist das Führungschaos und die unentschiedene Richtungslosigkeit der Partei nicht beseitigt. Im Gegenteil: Die Linke steht völlig zerrissen da. Und es ist schwer vorstellbar, wie eine künftige Doppelspitze die Partei versöhnen kann."

Hier setzt auch die Märkische Allgemeine an: "Es sollte seine letzte große Schlacht werden. Als Parteivorsitzender wollte Oskar Lafontaine die Linke noch einmal in den Bundestag führen. Doch daraus wird nun nichts, denn diesmal hat der Saarländer überreizt. Auch die in der Partei, die Lafontaine schätzen, sind entsetzt, wie divenhaft und wenig kompromissbereit er sich zeigt. Für den Zustand der Linken ist das symptomatisch. Die beiden wesentlichen Parteiflügel - vorwiegend ostdeutsch geprägte Reformer und zumeist westdeutsche Radikaloppositionelle - streiten sich wie die Kesselflicker. Die Protestwähler wandern zu den Piraten ab, die gewerkschaftsorientierten Traditionslinken gehen möglicherweise zurück zur SPD. Bleibt eine Rumpfpartei, die verzweifelt auf der Suche nach ihrer Funktion im politischen Gefüge ist."

Die Volksstimme aus Magdeburg hat da eine Idee: "Da war es nur noch einer: Mit dem Lafontaine-Verzicht scheint der Weg für Dietmar Bartsch an die Parteispitze frei zu sein. Mit der nordrhein-westfälischen Landeschefin Katharina Schwabedissen an der Seite wäre sogar die Doppel-Quote perfekt. Eine West-Frau und ein Ost-Mann könnten die Linken fortan gemeinsam führen. Doch wohin? Die Zukunft der Linken ist ungewiss. Die Partei bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Aufbruch und Spaltung. Die neue Parteiführung wird vor allem versuchen müssen, die Selbstzerfleischung zu stoppen. Um dann politisch in Erscheinung treten zu können. Hier ist die Grundrichtung unter Bartsch und seinen Gefolgsleuten bis hin zum potentiellen Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn klar: Weg von jeder Fundamentalopposition und Offenheit für neue Koalitionen."

Die Stuttgarter Zeitung sieht das Ende der Partei: "Mit dem Rückzug Lafontaines ist das Chaos in der Partei nicht beseitigt. Vielmehr steht die Linke völlig zerrissenda. Und es ist schwer vorstellbar, dass die künftige Doppelspitze die Partei versöhnen kann, wenn Bartsch ein Teil von ihr ist. Auch ihm haftet der Makel an, die Linke gespalten zu haben. Somit bräuchte es einen neuen Weg, um Ost und West auf einen Kurs zu bringen. Finden ihn die Linken nicht, werden sie in der Bedeutungslosigkeit versinken."

Quelle: ntv.de

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