Einigung im Kita-Streit "Lokführer des öffentlichen Dienstes"
27.07.2009, 20:30 UhrDer Kita-Streit ist beendet. Die Erzieherinnen bekommen rund 120 Euro mehr im Monat. Doch wer soll das bezahlen? Die Kommunen sind pleite. Indes dürfte sich ver.di am meisten freuen. Sie haben die Erzieherinnen als "eine weitere Kampftruppe für die Tariffront" entdeckt, resümiert die Presse.

Der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Bsirske (l), und der Verhandlungsführer der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) , Thomas Böhle (r).
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Die Kölnische Rundschau befindet die Einigung im Kita-Streit als eine "gute Nachricht". Aber nur die Verantwortlichen der getroffenen Vereinbarungen würden sagen können, ob die Einigung "sinnvoll und verkraftbar" ist. Eins hätte die lange Diskussion aber in Bezug auf die deutsche Bildungspolitik schon jetzt gezeigt: "Kinderbetreuung macht politisch viel her. Mit ehrgeizigen Zielen kann man punkten und die zuständige Bundesministerin hat das Rampenlicht durchaus gesucht. Aber all die gesetzlichen Vorgaben, so richtig sie sein mögen, tragen im Kleingedruckten den Vermerk: An den Mehrkosten müssen sich die nachgeordneten Ebenen, Länder und Gemeinden, angemessen beteiligen. Dass sie das aber kaum mehr können, erklärt die Länge des Konfliktes."
Auch ver.di hätte die politische Bedeutung von Erzieherinnen entdeckt, und zwar als "eine weitere Kampftruppe für die Tariffront", schreibt die Stuttgarter Zeitung. "Die Kita-Erzieherinnen sind - sozusagen - die Lokführer des öffentlichen Dienstes." Auch wenn ihre Streiks keinen ökonomischen Verlust nach sich ziehen würden, würden sie von Anfang an wirken und Emotionen auslösen. "Denn welche Eltern wollen für ihr Kind nicht stets eine optimale Betreuung?" Fazit: ver.di würde sich die Gelegenheit, schnell eine breite Öffentlichkeit herzustellen, zukünftig nicht entgehen lassen. Daher mag "organisationspolitisch (…) der Gewinn für die Gewerkschaft höher sein, als er auf dem Konto der Erzieherinnen ausfällt".
Einen Blick auf das Ansehen des Erzieher-Berufsbildes wirft die Tageszeitung. Dass die Erzieherinnen jetzt besser bezahlt werden würden, ordnet das Blatt als einen "längst überfällige(n) Schritt (ein), der die sechsstelligen Einkommensverluste - auf ein Arbeitsleben als Erzieherin bezogen - ausgleicht, die beim Übergang vom alten Bundesangestelltentarif BAT auf die neuen Öffentlichen Diensttarif entstanden sind." Des Weiteren fehle, so die Zeitung weiter, die "finanzielle Anerkennung des Erzieherinnenberufs als pädagogischer Aufgabe", und zwar "mit entsprechender Entlohnung auf Höhe von Grundschullehrerinnen".
Auch der General-Anzeiger meint, die höhere Entlohnung der Erzieher-Berufsgruppe sei gerechtfertigt, weil "die frühkindliche Erziehung (…) gesellschaftlich einen höheren Stellenwert bekommen" hätte. Aus diesem Grund hätten die kommunalen Arbeitgeber gewusst, "dass sie deutliche finanzielle Zugeständnisse würden machen müssen". Allerdings stelle sich nun die Frage, "wer die gestiegenen Kosten finanzieren wird. Die Kommunen ächzen unter der Krise. Also die Eltern? Die beitragsfreie Kita, die Landes- und Bundespolitiker gern versprechen, könnte sich als Träumerei erweisen."
Zusammengestellt von Julia Kreutziger
Quelle: ntv.de