Pressestimmen

"Eine Vesperdose mit ein paar Krümeln drin" Merkel sitzt in der FDP-Falle

Ist die Blaupause für Deutschland? Oder steht das bürgerliche Lager gar vor seiner Atomisierung? Derlei Fragen haben die Präsidien von CDU und FDP in gewohnter Vogel-Strauß-Manier mal wieder nicht diskutiert. In ihren Nabelschauen beschäftigen sich die Verlierer-Parteien gar nicht erst mit dem Grund des Misstrauensverlustes. Sie stellen stattdessen das Große und Ganze in den Fokus und bieten an, jetzt weiter atemlos an der Euro-Rettung zu feilen. Dies halten sie für die Botschaft der Strategen. Die Wahlkatastrophe wird zu einem Betriebsunfall bagatellisiert, weil sonst die Kanzlerin bedroht wäre. Und das ist sie in der Tat. Setzt sie doch auf einen Koalitionspartner, an dem die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen kein gutes Haar lassen.

Ein Tag nach einer vergeigten Landtagswahl ist kein guter Tag für die Chefin der Verliererpartei.

Ein Tag nach einer vergeigten Landtagswahl ist kein guter Tag für die Chefin der Verliererpartei.

(Foto: AP)

Die Süddeutsche Zeitung sieht die FDP als das, was sie ist, inhaltsleer: "Auf den Bildern und in den Analysen vom Wahlabend in Schwerin ist zu sehen, dass die Grünen die jüngsten Anhänger haben. Die FDP hat nur eine junge Führung. Die Grünen haben einen Markenkern, die FDP sucht ihren verzweifelt. Jetzt will Rösler in der Währungskrise für eine Stabilitätsunion sein und gegen Euro-Anleihen. Zu allem anderen will er in zwei Wochen noch ein paar Vorschläge machen. Fürwahr, die FDP ist in diesen Tagen nicht Brot, nicht Butter, sondern nur noch eine Vesperbüchse mit ein paar Krümeln drin."

Auch der Bonner General-Anzeiger vermisst bei den Liberalen ein echtes Konzept: "Philipp Rösler will jetzt liefern und damit sein Versprechen des Rostocker Parteitages vor vier Monaten einlösen. Das Zauberwort heißt: Sacharbeit. Ein Konzept für die Vermeidung weiterer Wahlklatschen in Niedersachsen und Berlin wird das so schnell nicht. Die Partei kann sich nur mittelfristig neu aufbauen. Kein leichter Weg - zumal für den jungen Vorsitzenden."

"Die Krise der FDP ist in ihrem Kern eine Krise der Koalition", meint die  Hessische/Niedersächsische Allgemeine und schreibt: "Selten hat ein Koalitionspartner den anderen so effektvoll vorgeführt und so auflaufen lassen, wie es die Union mit der FDP getan hat. Selten aber auch hat man einen Parteichef und Außenminister erlebt, der wie Guido Westerwelle so viel Anlass dafür bot. Nun wird sein Nachfolger an der FDP-Spitze, Philipp Rösler, wohl wirklich liefern müssen, vor allem erstmal den Kopf Westerwelles. Am Niedergang der FDP auf ein sehr viel niedrigeres Niveau, einfach und gerecht, wird aber auch das nichts ändern. So ist auch der weitere Verfall der Regierung Merkel programmiert."

Jung ist an der FDP nur die Führung.

Jung ist an der FDP nur die Führung.

(Foto: REUTERS)

Laut der Schwäbischen Zeitung braucht "die Freiheit starke Fürsprecher": "Die FDP-Politiker der Gegenwart stehen indes in ihrer Mehrzahl nicht dafür - sondern für einen gedanklich ausgehöhlten Erfolg, der sich nur aus Wahlergebnissen und Pöstchen in der jeweiligen Regierungskoalition speist. Es verbleibt inhaltlich eine Dame ohne Unterleib."

Die Leipziger Volkszeitung kommentiert folgendermaßen: "Die FDP, deren Gesamtlage der Kieler Politsatiriker Kubicki so punktgenau beschrieb - "Wir haben offenbar global verschissen" – hat derzeit keinen erkennbaren Markenkern, der überzeugt. Sie hat, ein entschlossenes Führungspersonal ohne falsche Skrupel vorausgesetzt, aber eine Marktlücke vor Augen, so wie der Hund die Wurst: Raus aus der Regierung, raus aus der Euro-Griechenland-Mithaftung, rein in den Nachfragebereich der Wählerschaft. Mit einer solchen Strategie wären zehn Prozent locker drin. Das alles könnte zu einer demokratischen Gratwanderung werden. Aber langsam stellt sich schon die Frage, was für die FDP noch geht. Recht viel anderes Potenzial lässt die FDP in ihrer momentanen Verfassung nicht recht erkennen.!"

"Tappt die FDP in die Populismus-Falle?", fragen die Westfälischen Nachrichten und die Zeitung antwortet selbst: "Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen. Nachdem die Liberalen in diesem Jahr bereits aus vier Landesparlamenten gekegelt wurden und in knapp zwei Wochen wohl auch in Berlin das Abgeordnetenhaus verlassen müssen, kann der Vorsitzende nur noch sein Heil in der Profilierung um fast jeden Preis suchen. (...) Dies ausgerechnet, wo sich der Umgang mit der Euro-Krise zum beherrschenden Thema des Herbstes entwickelt - ein Thema, das für markige Äußerungen anfällig ist. Nach dem Flop mit immer neuen Steuersenkungs-Versprechungen könnte die FDP versucht sein, als Anwältin der deutschen Steuerzahler zu punkten - Europa hin oder her."

Zum Schluss die Märkische Allgemeine, die ihren Kommentar ebenfalls mit einer Frage einleitet, nämlich ob sich die "FDP die Frage selbst stellt, wohin ihr Abwärtstrend noch führen soll?" "Dass sie in Mecklenburg-Vorpommern nur halb so viele Stimmen holen konnte wie die rechtsextreme NPD, ist schlimm und peinlich. Schlimmer aber ist, dass die Freidemokraten nicht aus ihrem Tal herauszufinden scheinen. Die einst stolze Partei der Freiheit und der Marktwirtschaft wirkt inhaltlich leer und ausgezehrt. Ihre zentralen Wahlversprechen musste sie abräumen, der Vorsitzende wurde abgelöst, aber auch mit der neuen Führung will kein Schwung aufkommen. Es fehlt an einem glaubwürdigen Profil, einem Markenkern, der erkennbar und zustimmungsfähig ist. In ihrer Not attackieren die ersten Liberalen jetzt schon den Finanzminister und drohen mit Koalitionsbruch. Das zeigt nur, wie weit die Orientierungslosigkeit gediehen ist."

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Peter Poprawa

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