Schwerin ist nicht Berlin Schwarz-Gelb bleibt unbeirrt
05.09.2011, 16:28 Uhr
Mit "C wie Zukunft" wollte Lorenz Caffier punkten und fuhr stattdessen jede Menge Häme ein.
(Foto: dpa)
Bundeskanzlerin Merkel will von einer Stellvertreterwahl für den Bund nichts wissen. Es gebe Wichtigeres, als sich mit einer verpatzten Landtagswahl zu befassen. Für die FDP steht fest, dass die "Westerwelle-Debatte" den Liberalen in Schwerin nicht geholfen habe. Deshalb sei die Debatte jetzt auch vorbei. Für Rot und Grün gibt es keinen Grund zur Demut. Sie schauen rosigen Zeiten entgegen.
Nach der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern betreiben die Parteien wie traditionell nach Wahlen ihre "Nabelschau". Sie analysieren Gewinne oder Verluste sowie mögliche Auswirkungen auf die Bundespolitik. So sehen sich SPD und Grüne rosige Perspektiven entgegen, während die FDP immer tiefer in die Krise gerät. Die CDU macht für ihre Stimmenverluste vor allem regionale Themen in Mecklenburg-Vorpommern verantwortlich und lehnt eine Verantwortlichkeit aus Berlin für das schwere Abschneiden vehement ab.
SPD-Chef Sigmar Gabriel sah das Ergebnis als klaren Rückenwind für die SPD insgesamt und für die Berlin-Wahl in zwei Wochen. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, betonte, Ministerpräsident Sellering sei ein gutes Beispiel für solide Politik. "Erwin Sellering hatte das Vertrauen der Menschen für seine unaufgeregte Art, das Land zu regieren." Er habe in Mecklenburg-Vorpommern dafür gesorgt, dass keine neuen Schulden aufgenommen werden. "Gerade damit hat er sich wunderbar abgegrenzt zur chaotischen Politik der schwarz-gelben Bundesregierung."
Es sind eben "schwierige Zeiten"
Die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte nach den Gremiensitzungen ihrer Partei in Berlin, dass vor allem die umstrittene Kreisgebietsreform in Mecklenburg-Vorpommern für das schlechte Wahlergebnis verantwortlich sei. Die ungeliebte Reform sei insbesondere mit dem Landesinnenminister und CDU-Spitzenkandidaten Lorenz Caffier verbunden worden. Auch gebe einige "strukturelle Probleme" bei der Nordost-CDU.
Merkel räumte ein, dass das Wahlergebnis der CDU "nicht unseren Vorstellungen entspricht". Es gebe aber "Licht und Schatten". Immerhin sei die CDU mit ihrem zweiten Platz in der Lage, sich erneut als Juniorpartner der SPD anzubieten. Der Bundespolitik wollte Merkel keine große Mitverantwortung für das Ergebnis geben. Sie räumte aber ein, dass die derzeitigen Umfragewerte der CDU auch keine Unterstützung gewesen seien. Wichtig sei, dass die CDU die Landtagswahl nicht als Stellvertreterwahl für den Bund betrachte. Man lebe in "schwierigen Zeiten, in denen auch schwierige Probleme gelöst werden müssen". Dies gelte für die Euro-Schuldenkrise, zudem stünden zum Beispiel auch bei der Pflegeversicherung Entscheidungen an. "Wir haben alle Hände voll zu tun", betonte Merkel.
FDP hat "generell verschissen"
Alle Hände voll zu tun hat auch die FDP, die nach Meinung ihres Vorstandsmitglieds Wolfgang Kubicki "kein Westerwelle-Problem, sondern ein Marken-Problem" habe. Als Marke habe die FDP momentan "generell verschissen", sagte Kubicki nach dem Absturz seiner Partei auf 2,7 Prozent der "Leipziger Volkszeitung". Umfragen zufolge droht den Liberalen in zwei Wochen bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus ein ähnliches Debakel.
FDP-Vizechefin Birgit Homburger sieht die Ursachen für das Debakel von Schwerin vor allem in der Bundespolitik und der Debatte um Außenminister Guido Westerwelle. "Ich bin der Meinung, dass diese Personaldiskussion der FDP geschadet hat." Parteichef Philipp Rösler wollte sich gar nicht erst auf die Landtagswahl einlassen und kündigte stattdessen an, "mit einer Rückkehr zur Sachpolitik bürgerliche Wähler zurückgewinnen" zu wollen. Die "Westerwelle-Debatte" erklärte er kurzerhand für beendet. Zugleich übernahm er Verantwortung für das katastrophale Landtags-Wahlergebnis. Als Parteichef sei er für "alles verantwortlich". Der FDP-Landeschef Christian Ahrendt, war noch am Wahlabend zurückgetreten, kündigte aber am Montag den Rücktritt vom Rücktritt an. Schließlich müsse ja "einer den Job erledigen" und dafür wolle er sich die Legitimation von der Basis holen.
Linke will wieder mitregieren
Nach dem Abschneiden als drittstärkste Kraft bei der Landtagswahl hofft die Linke auf eine Regierungsbeteiligung in Mecklenburg-Vorpommern. Er schätze die Chancen dafür auf 50 zu 50 ein, sagte Linke-Spitzenkandidat Helmut Holter. Die SPD habe sich zwar vor der Wahl nicht festgelegt, nun aber Gespräche angekündigt. Holter räumte ein, dass die Linke ihr Wahlziel, über 20 Prozent zu kommen, nicht erreicht habe. Er gab der Bundespartei eine Mitverantwortung. "Die ganzen Debatten, die 2011 meine Partei begleitet haben, waren nicht hilfreich im Wahlkampf." Holter spielte damit unter anderem auf ein umstrittenes Glückwunschschreiben des Parteivorstandes an den kubanischen Revolutionsführer Fidel Castro und die Diskussion um die Haltung zum Mauerbau an.
"Deutschland ist ergrünt"
Die Grünen werteten ihren Einzug in den Schweriner Landtag als Etappe zur Regierungsübernahme mit der SPD im Bund. Im Hinblick auf die Bundestagswahl 2013 sagte Parteichefin Claudia Roth: "Ich sehe da große Chancen für Rot-Grün oder Grün-Rot." Die Grünen sitzen nun in allen Landesparlamenten. "Deutschland ist ergrünt", sagte Roth. Roth bedauerte, dass es am Ende nicht zur Regierungsbeteiligung für ihre Partei gereicht habe. Ein Grund daran sei der Verbleib der NPD im Schweriner Landtag. Die Rechtsextremen hatten bis zu 33 Prozent der Zweitstimmen in ihren Hochburgen erzielt – und das, obwohl sie im Parlament vor allem negativ auffielen.
NPD-Erfolg ist relativ

Bürgermeisterin Grygula aus der Gemeinde Koblentz, die mit 33 Prozent der Zweitstimmen den NPD-Spitzenwert einfuhr.
(Foto: dpa)
Bei genauerer Betrachtung ist der Erfolg der NPD allerdings ein sehr relativer: In absoluten Zahlen verlor sie im Vergleich zu 2006 rund ein Drittel an Wählerstimmen – was sich wegen der insgesamt gesunkenen Wahlbeteiligung nicht ebenso deutlich in Prozentpunkten niederschlägt. Statt rund 60.000 Stimmen für die Rechtsextremen waren es diesmal nur noch gut 40.000. Nach bisherigem Stand schmilzt die Zahl der NPD-Abgeordneten im Landtag von sieben auf fünf. Schneidet die Partei in einer ausstehenden Nachwahl am 18. September in einem Wahlkreis auf Rügen deutlich schlechter ab als am Sonntag, könnten am Ende sogar nur vier Abgeordnete übrig bleiben.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa/AFP