Merkel lässt AKW schrittweise abschalten "Murks muss man ändern"
03.06.2011, 20:45 UhrDie deutschen Atomkraftwerke sollen schrittweise abgeschaltet werden, so Kanzlerin Merkel nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten der Länder. Eine geballte Stilllegung in den Jahren 2021 und 2022 ist damit vom Tisch. Hat die Kanzlerin in Sachen Atompolitik noch mehr zu bieten? Und was bedeutet Merkels Einlenken für ihr Verhältnis zu den Grünen?

Mit dem Jahr 2022 soll der Ausstieg aus der Atomkraft vollzogen sein.
(Foto: picture alliance / dpa)
"Noch vor wenigen Tagen war im schwarz-gelben Energiepapier der Koalition von einem gemeinsamen Abschalten aller Rest-Meiler erst in zehn Jahren die Rede. Jetzt sollen die Reaktoren fast im Jahres-Takt vom Netz gehen." So wolle Merkel den Verdacht ausräumen, es handele sich bei einem geballten Ausstieg um eine "Mogelpackung". Dafür ernte sie sogar Lob von Greenpeace. Und, so merkt die Nordwest-Zeitung aus Oldenburg, sie mache es der Opposition schwer, ihre Atompläne zu kritisieren. "Sollte Merkel noch ein Gesetz zur bundesweiten Suche nach einem Endlager und womöglich gar einen früheren Ausstieg als 2022 nicht ausschließen, ja dann wäre wirklich die 180-Grad-Wende vollzogen. Wer hätte das gedacht?"
Auch die Frankfurter Rundschau honoriert die Einsicht der Kanzlerin, hat aber noch einen Tipp für die Regierung parat: "Na also, auch Kanzlerin Merkel hat eingesehen: Wenn etwas Murks ist, muss man es ändern. Jedes AKW soll ein eigenes Abschaltdatum bekommen. (…). Der offensichtlichste Unsinn im Ausstiegsplan wird damit getilgt. Und da Schwarz-Gelb gerade neu justiert: Das Enddatum vorzuziehen, darf auch kein Tabu sein."
"Merkel ist Realistin genug zu wissen, dass sie aus der Glaubwürdigkeitsfalle nur herauskommt, wenn sie den Atomausstieg wasserdicht hinbekommt. Deshalb buhlt sie um die Gunst der Länder. Deshalb ist die Zustimmung von Rot und Grün längst wichtiger als die Zustimmung der FDP." Für den Neuen Tag aus Weiden ist klar, dass Merkel sich damit "ganz nebenbei" auch für die Bundestagswahl 2013 alle Optionen offen halte: "Sie könnte die erste Kanzlerin werden, die mit fast allen regiert hat: mit SPD, FDP - und den Grünen."
Der Atomausstieg ist beschlossene Sache. Jetzt hapere es nur noch an der Feinjustierung, stellt die Stuttgarter Zeitung fest: "Über Kaltreserven, die Förderung der Alternativenergien und das Gesetz zur Endlagersuche ist man sich im Grundsatz einig. Da bleibt im Detail zwar dennoch jede Menge Streitwert übrig. Aber an Verfahrensfragen wird die Energiewende nicht mehr scheitern. Ein gesellschaftlicher Konsens zum Atomausstieg scheint möglich, vielleicht sogar unter baden-württembergischer, also grüner, Beteiligung. Was fehlt sind die Details - und die Mehrheit im Bundestag."
Das Flensburger Tageblatt ruft die Konsequenzen der Energiewende in Erinnerung: "Der evangelische Kirchentag kommt mit seinen Appellen zum raschen Atomausstieg kaum nach, so groß ist mittlerweile die partei- und länderübergreifende Einigkeit in der Energiepolitik. Doch gehört auch zur Wahrhaftigkeit, die Folgen nicht unter den Teppich zu kehren. So erklärte SPD-Fraktionschef Steinmeier in Dresden, dass mit dem Atomausstieg eine stärkere Nutzung fossiler Energieträger notwendig werde. Der Hinweis unterstreicht, dass die Energiewende nicht das Paradies auf Erden bringt."
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Katja Sembritzki