Pressestimmen

Joe Kaeser krempelt Siemens um "Neuer Chef reißt Strukturen ein"

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Die Umbaupläne des neuen Siemens-Chefs Kaeser rufen in Deutschlands Presse ein gemischtes Echo hervor. Während ein Teil die Verunsicherung der Arbeitnehmer als destabilisierend bezeichnet, ist die umfassende Neuausrichtung für andere Voraussetzung, um am Weltmarkt mitzuhalten. Der Umbau sei zwar tiefgreifend, eine Sensation hingegen keineswegs. 

"Die Zeiten, als der Normalbürger Siemens mit Telefon und Elektronik in Verbindung brachte, sind passé", meint die Märkische Oderzeitung. Der Konzern habe sich von Chip- und Elektroniktöchtern getrennt, die Handysparte in die Pleite verkauft, die Logistiksparte aufgelöst. Nun stünden Medizintechnik und Hörgeräte vor der Ausgliederung. Dabei reiße der neue Chef die Strukturen seines Vorgängers ein, ohne dass klar sei, wie lange die jetzigen Neuerungen Bestand haben, wenn im Poker um Alstom Siemens noch General Electric ausstechen sollte. "Nichts bleibt, wie es war. Und schon gar nicht beim heutigen Siemens-Konzern", meint die Zeitung aus Frankfurt an der Oder.

Der Tag aus Weiden findet es zwar "ehrenwert", wenn der Vorstand vor seinen Umbauplänen zunächst mit dem Betriebsrat sprechen möchte. "Doch Abbau von Bürokratie bedeutet, dass Menschen in der Verwaltung nicht mehr benötigt werden", gibt die Zeitung zu bedenken. "Wer sein Unternehmen zukunftsträchtig aufstellen will, muss zuallererst die Mitarbeiter motivieren." Dazu trügen vor allem Arbeitsplatzsicherheit und die Chance, in anderen Bereichen weiterzuarbeiten, bei. Davon sei jedoch nichts zu hören. Dies wiege vor dem Hintergrund, dass durch das Sparprogramm "Siemens 2014" bereits über 15.000 Stellen gestrichen worden seien, umso schwerer.

"Der Siemens-Konzern ändert sein Gesicht - wieder einmal", kommentiert die Heilbronner Stimme den radikalen Umbau des neuen Konzernchefs Joe Kaeser. Dieser sei jedoch "nur halb so spektakulär", wie er auf den ersten Blick erscheine. Denn ein "Gemischtwarenladen", wie Siemens, der auf vielen verschiedenen Geschäftsfeldern unterwegs ist, müsse sich ständig verändern, um im internationalen Wettbewerb mithalten zu können. "Und wenn die Übernahme - zumindest einiger wichtiger Sparten - des französischen Konkurrenten Alstom gelingt, wird Siemens trotz aller Veränderungen weltweit sogar in einer stärkeren Position sein", befindet die Zeitung. Damit dies so bleibt, stünden jedoch schon in einigen Jahren die nächsten Veränderungen an.

Die Mitteldeutsche Zeitung befürchtet hingegen, dass Kaesers Entscheidung, aus 16 Divisionen 9 zu machen, den Konzern erst einmal lähmen könnte. "Beschäftigte werden verunsichert, Manager verprellt. Und solche Aktionen provozieren eine spezifische Haltung: Ist die Umstrukturierung abgearbeitet, wird alles von selbst gut. Eine Falle", meint das Blatt aus Halle. Siemens würde nicht zum ersten Mal in eine solche tappen. "So hat der Konzern verschlafen, dass durch das Wachstum der Erneuerbaren kleinere, flexiblere Gasturbinen anstelle von Großkraftwerken gefragt sind. US-Konkurrent General Electric zeigt seit Jahren, wie es anders geht." Dort praktiziere man kontinuierlichen Wandel und sei ständig auf der Suche nach hoffnungsvollen Zukäufen. Entscheidend sei ein Management, das nah am Markt ist und Veränderungen früh erkennt – und nicht, aus wie vielen Divisionen ein Konzern besteht.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung misst dem Umbau an der Konzernspitze hingegen größere Bedeutung bei. Auch wenn Joe Kaeser den Begriff nicht mag, sei die Streichung ganzer Führungsetagen nichts Geringeres als ein "Erdbeben". Denn "dort arbeiten viele Tausend Beschäftigte, von denen nur ein Teil eine neue Aufgabe erhalten wird." Was bleibt, sei jedoch die Frage, "ob der von Kaeser eingeleitete Prozess tatsächlich der Selbstheilung dient." Erst einmal handele es sich wieder nur um Versprechen. Und deren habe es bei Siemens viele gegeben, von denen etliche nach kurzer Zeit wieder kassiert wurden. "Das letzte große Versprechen in Sachen nachhaltig gestärkter Ertragskraft wurde im Juli 2013 gebrochen und kostete den Konzernchef Peter Löscher den Posten."

Quelle: ntv.de, bwe

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