Pressestimmen

Karlsruher Urteil zur Drei-Prozent-Hürde "Nicht jede Stimme muss zum Erfolg führen"

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Letztes Jahr erklärte das Bundesverfassungsgericht die Fünf-Prozent-Hürde für die Europawahl für nichtig, danach mussten Parteien anders als bei der Bundestagswahl "nur" noch drei Prozent für den Einzug ins Parlament erbringen. Nun hat Karlsruhe auch diese Sperrklausel für verfassungswidrig erklärt. Die Presse diskutiert über die Vor- und Nachteile einer solchen Entscheidung.

Die Badischen Neuesten Nachrichten schreiben: "Wenn (...) Parteien durch Gesetze über die Wahlchancen anderer Parteien entscheiden, genießt dies die besondere Aufmerksamkeit der Verfassungsrichter." Weiterhin kritisiert das Blatt die Argumentation von Seiten der Politiker: "Völlig kontraproduktiv war in Karlsruhe das von der Politik geäußerte Argument, dass man die Gefahr von noch mehr europakritischen Parteien im Parlament sehe und dies quasi per Wahlrecht verhindern müsse. Schlimmer kann man die Idee der Europawahl als eine Wahl freier und mündiger Bürger Europas nicht herabwürdigen."

Der Reutlinger General-Anzeiger kritisiert hingegen die vermeintliche Doppelmoral des Bundesverfassungsgerichts: "Zwar hat Karlsruhe über das Europawahlrecht entschieden. Doch folgerichtig müssten die neuen Grundsätze auch für Bundestagswahlen gelten. Hier aber gilt nicht nur eine Drei-Prozent-Sperre, sondern sogar eine Fünf-Prozent-Hürde (...) " Gleichzeitig macht die Zeitung aus Baden-Württemberg deutlich, dass sie eine Sperrklausel für Parlamente für durchaus angebracht hält: "Danach ist die Bekämpfung von Splitterparteien ein legitimes Ziel. Nicht jede Wählerstimme muss zu einem Erfolg führen. Besonders viele Stimmen fallen übrigens in Großbritannien, dem Mutterland der Demokratie, unter den Tisch. Dort gilt Mehrheitswahlrecht."

Anders sieht das die Aachener Zeitung und nimmt auf den womöglich hohen Wählerstimmen-Verlust Bezug: "Spätestens seit der letzten Bundestagswahl, die uns einen traurigen Rekord beschert hat, sollte man aber über eine Reform der Sperrklausel nachdenken. 15,7 Prozent der im September 2013 abgegebenen Stimmen, fanden keine Berücksichtigung bei der Zusammensetzung des Parlaments." Das Blatt geht sogar noch einen Schritt weiter und prangert die durch die fehlende Sperrklausel "zu stabile" Mehrheitsregierung nach den letzten Bundestagswahlen an:  "Dennoch bleibt der Fakt, dass die Stimmen von fast sieben Millionen Bundesbürgern nicht berücksichtigt wurden. Ein ziemlich hoher Preis für eine stabile Regierung, die übrigens mit einer Mehrheit von fast 80 Prozent deutlich stabiler ist, als man es sich wünschen mag."

Die Kieler Nachrichten betrachten die Entscheidung aus Karlsruhe aus einer anderen Perspektive. Sie verweisen auf die aus dem Urteil resultierende Verantwortlichkeit der Bürger: "Nun liegt es in der Hand der Wähler, mit der neuen Regel verantwortlich umzugehen. Wer aus Ärger über 'die in Brüssel' im Mai seine Stimme irgendwelchen Protestgruppen gibt, muss sich der Konsequenzen bewusst sein:" Das Blatt präzisiert außerdem mögliche Gefahren unverantwortlichen Wählerverhaltens: "Die Wahrscheinlichkeit, dass am Ende überforderte Einzelkämpfer ein durch Steuermitteln gutbezahltes Abgeordnetenmandat bekommen, ist (...) deutlich gestiegen. Die Probleme jedoch, mit denen Europa derzeit kämpft, werden diese Menschen nicht lösen. Demokratie gelingt nur, wenn sie nicht missbraucht wird."

Zusammengestellt von Anika Friese

Quelle: ntv.de

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