Pressestimmen

Urteil zur Gesundheitsreform "Nur vordergründig ein Sieg"

Die Einschätzungen der Presse gehen weit auseinander. Die einen werten das Urteil als durchaus positiv für die Privaten, denen ein Existenzrecht bescheinigt worden sei. Der Weg in eine Bürgerversicherung sei somit verbaut. Andere sind gegenteiliger Ansicht.

Die privaten Krankenversicherungen sind mit ihrer Klage gegen Teile der Gesundheitsreform vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Die Einschätzungen der Presse gehen auseinander. Die einen werten das Urteil als durchaus positiv für die Privaten, denen ein Existenzrecht bescheinigt worden sei. Der Weg in eine Bürgerversicherung sei somit verbaut. Andere sind gegenteiliger Ansicht.

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt und Reinhold Schulte, Vorsitzender des Verbandes der privaten Krankenversicherungen.

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt und Reinhold Schulte, Vorsitzender des Verbandes der privaten Krankenversicherungen.

(Foto: AP)

"Der höchstrichterliche Dämpfer für die privaten Krankenversicherungen ist nur vordergründig ein Sieg für Ministerin Ulla Schmidt und die von Union und SPD auf den Weg gebrachte Gesundheitsreform", urteilen die Westfälischen Nachrichten. Auch wenn die Richter den Gesetzgebern in Berlin eine juristisch saubere Arbeit attestierten und deren "beste Absichten bei der gesundheitspolitischen Weichenstellung" bestätigten, biete das Urteil kaum Anhaltspunkte in "der zentralen Frage, ob diese Reform tatsächlich taugt, die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben zu schließen". Das Blatt aus Münster schaut in die Zukunft: "Der Verweis auf das Sozialstaatsprinzip bedeutet auch auf dem Gesundheitssektor lediglich, dass bei der absehbaren demografischen Entwicklung wenige für viele zahlen müssen."

Die Kölnische Rundschau geht noch weiter und wertet das Urteil als Erfolg für die Privaten: "Der eigentliche Charme des Urteils erschließt sich aber erst bei näherem Hinsehen: Die Richter haben der PKV ausdrücklich ein Existenzrecht bescheinigt. Sie schreiben nämlich der Politik ins Stammbuch, dass sie mit künftigen Reformen nicht das Geschäftsmodell der PKV gefährden darf." Damit durchkreuzten sie die Zukunftspläne der SPD, "in der immer noch mancher auf die Bürgerversicherung hofft und dafür die PKV zerschlagen will". "Wer auch immer gehofft hatte, Zug um Zug der PKV das Leben schwer machen zu können, bis sie irgendwann Konkurs geht, hat sich getäuscht. Die Richter haben mit ihrem Urteil der PKV also so etwas wie eine politische Lebensversicherung ausgestellt: Das auf zwei Säulen ruhende Modell der Krankenversicherung wurde gestärkt, der Weg in die Einheitskasse ist verbaut."

Das sehen auch Straubinger Tagblatt und Landshuter Zeitung so: "Karlsruhe gewährt der privaten Krankenversicherung (PKV) Bestandsschutz", heißt es. "Sollten sich so viele Versicherte für den Basistarif entscheiden, dass das PKV-Geschäftsmodell ernsthaft in Gefahr gerät, muss der Gesetzgeber nachbessern." Damit hätten SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und die Verfechter einer Bürgerversicherung einen Dämpfer erhalten. Das heiße jedoch nicht, "dass sich die PKV nun auf der sicheren Seite sehen und künftigen Reformen (...) mit Gelassenheit entgegenblicken kann". "Das politische Klima wird sich kaum wesentlich zugunsten der Versicherer verändern."

Die Berliner Zeitung bewertet das Urteil völlig anders: "Die Politik kann aus diesem Urteil nur eines schlussfolgern: Der Gesundheitsfonds wird erst dann zu einem sinnvollen Instrument, wenn sich alle, das heißt gesetzlich und privat Versicherte, an ihm beteiligen. Damit weist Karlsruhe den Weg in die Bürgerversicherung. Das sollte nun auch jede künftige Bundesregierung akzeptieren."

"Anstatt alle Energie darauf zu verwenden, den Privatversicherern ein Basistarif-Angebot aufzunötigen, wäre eine mutige Reform der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) die Übernahme einiger PKV-Merkmale gewesen", schreibt die Mitteldeutsche Zeitung aus Halle und meint vor allem die im PKV-Bereich gebildeten Altersrückstellungen, "für die ein Teil der Prämien verwendet wird". "Ein Gesundheitswesen, das die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung auch in 20 und 30 Jahren sicherstellt, ohne die Beiträge in Himmelhöhen zu schrauben, wird ohne eine Art 'Gesundheits-Riester' nicht auskommen. Es bedürfte eines Altersvorsorge-Fonds, in den diese Rückstellungen fließen." Dafüri sei die Struktur des zukünftigen Gesundheitsmodells nicht bedeutsam, vielmehr "könnte es bei der bisherigen Trennung von gesetzlichen und privaten Kassen bleiben, sie könnte aber auch ebenso gut aufgehoben werden". "Der Großen Koalition fehlten Mut und Kraft, ein solches Reformprojekt auch nur zu versuchen."

Zusammengestellt von Nadin Härtwig

Quelle: ntv.de

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