Pressestimmen

"Der wichtigste Politiker der Welt hat nichts vor" Obama könnte mehr - wenn er wollte

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"Genügsamkeit ist nicht das Wesen großer Nationen", sagte US-Präsident Barack Obama, bevor er über Abrüstung sprach, zum Kampf aufrief gegen Intoleranz, für Religionsfreiheit, gegen den Klimawandel, gegen Terrorismus. Dass eventuell ein paar Daten von Bürgern bei den Geheimdiensten landen, ist Kleinkram im großen Kampf gegen das Böse. Ein schöner Satz, der alles und nichts bedeuten kann, meinen die Kommentatoren der Tageszeitungen. Ein Satz eben von Barack Obama.

Michelle und Barack Obama verzaubern Berlin.

Michelle und Barack Obama verzaubern Berlin.

(Foto: AP)

So schreibt Die Welt zum Obama-Besuch in Berlin: "Amerika ist uns fremder geworden. Umgekehrt ist aber auch Europa den Amerikanern fremder geworden. Europa und Deutschland sind kompliziert. Angela Merkel beharrt darauf, dass Sparen und Wachstum zwar Hand in Hand gehen müssen, Sparen aber eine bittere conditio sine qua non ist. Das gefällt Obama nicht, und hier gibt es wirklich einen transatlantischen Dissens. Das muss keine schlechte Nachricht sein. Die deutsch-amerikanischen, die amerikanisch-europäischen Beziehungen können das Erwachsenenstadium erreichen. Deutschland und Europa sollten angesichts der asiatischen Wendung der USA nicht versucht sein, die EU im Schweinsgalopp zum Großstaat umzurüsten. Das kleinere Europa hat aber durchaus die Chance, eine eigenständige Kraft im unverzichtbaren Bündnis mit Amerika zu werden."

In die gleiche Kerbe schlägt die Süddeutsche Zeitung: "Paradoxerweise haben viele Europäer, zumal die Deutschen, mit beiden Präsidenten ihr Problem. Sie verachteten Bush als tumben Cowboy. Und der kalte Analytiker Obama, der Terrorverdächtige von Drohnen töten lässt und dessen Geheimdienst das Internet überwacht, ist ihnen auch nicht mehr geheuer. Die Europäer sehnen sich danach, dass Amerika sie respektiert und ernst nimmt. Aber sie werden nervös, wenn Amerika seine Rolle als Weltmacht nicht nur darin sieht, den Klimawandel zu bekämpfen, sondern auch Islamisten in Afrika. Obama hatte für diese Kritiker eine Botschaft parat: Die Mauer ist weg, aber die Geschichte ist nicht zu Ende. Die Welt ist immer noch gefährlich."

Die Berliner Zeitung lässt gutes Haar an Obamas Rede und schreibt: "Barack Obama ist ja kein verdruckster Typ, der es nicht schafft, die Menschen für das zu begeistern, was er will. Das macht diesen Auftritt so besonders peinlich. Wenn er wollte, denkt doch jeder, der ihn erlebt oder seine hinreißende Autobiografie gelesen hat, dann könnte er. Und zwar so! Also will er nicht. Der vielleicht wichtigste Politiker der Welt hat nichts vor. Das ist eine schreckliche Nachricht."

Etwas versöhnlicher geht die Frankfurter Allgemeine Zeitung mit Obama zu Werke: Jetzt also hat Barack Obama als Präsident zu den Deutschen gesprochen, in Berlin am Brandenburger Tor, von jener Seite aus, die in den dunklen Tagen zum unfreien Teil der geteilten Stadt gehörte. Er hielt eine Rede, in der vieles vorkam und die doch vom Motiv des Strebens nach Freiheit (und nach Glück) durchzogen war. (.) Im Herzen Europas lud Obama die Deutschen - und natürlich die anderen Europäer - dazu ein, an einer globalen Agenda mitzuarbeiten. Zu dieser Agenda gehören ein Frieden in Gerechtigkeit, nukleare Abrüstung, die Bekämpfung des Klimawandels und der Armut. (.) Und sonst? In der Handelspolitik wollen Amerika und Deutschland Dampf machen und die größte Freihandelszone der Welt schaffen. Leicht wird das nicht. Erst recht gilt das für die Lösung des Syrien-Konflikts."

"Inzwischen ist Deutschland vereint, es braucht den Schutz der USA nicht mehr", resümiert die Westdeutsche Zeitung und schreibt: "Deutschland ist politisch in Europa eine Großmacht und wirtschaftlich eine Macht in der Welt. Also begegnet es den USA selbstbewusst, folgt ihnen, wo es nutzt, übt Kritik, wo es seine Freiheit, Interessen oder Rechte beeinträchtigt sieht. All das ist nicht die Basis für dumpfe USA-Feindlichkeit, die sich in Deutschland zunehmend breitgemacht hat. Es ist vielmehr das Fundament dafür, mit den USA an den Zielen zu arbeiten, die Barack Obama gestern in der Gluthitze von Berlin aufgezeigt hat: Klimaschutz, Armutsbekämpfung, Abrüstung, Menschenrechte. 'Frieden mit Gerechtigkeit' war die Kernaussage des Präsidenten. Eine schöne Vision. Und wahrscheinlich ist sie von Partnern auf Augenhöhe leichter zu verwirklichen, als vom großen mit dem kleinen Bruder."

Zum Schluss die Mitteldeutsche Zeitung, die sich dem ewigen Vergleich widmet: "Mit dem Kalten Krieg ist der Bedarf an Pathos in den deutsch-amerikanischen Beziehungen zu Ende gegangen. Sätze wie John F. Kennedys "Ich bin ein Berliner" vor 50 Jahren sind nur noch historisch. Wenn zwischen Washington und Berlin heute über Freiheit gesprochen wird, geht es vor allem um Handel. Freiheit im Sinne der Menschenrechte? Da werden die USA hierzulande weniger als Schutzmacht, denn als Bedrohung angesehen. Die Beziehungen zu Washington sind normal. Früher wäre das in (West-)Deutschland als bedrohlich empfunden worden. Man wollte mehr. Heute ist es ein gutes Zeichen."

Quelle: ntv.de

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