Friedensnobelpreis 2011 "Ohne Frauen kein Frieden in Afrika"
07.10.2011, 20:52 UhrFür ihren Einsatz gegen Krieg, Gewaltherrschaft und Unterdrückung des eigenen Geschlechts erhalten Liberias Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf, die liberianische Menschenrechtlerin Leymah Gbowee und die Journalistin Tawakkul Karman aus dem Jemen den Friedensnobelpreis 2011. Das Komitee aus Oslo sendet damit ein eindeutiges Signal gegen Unterdrücker-Regime. Die Entscheidung ist weise, aber auch von ein wenig Verlegenheit geprägt.

Liberias Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf, die liberianische Menschenrechtlerin Leymah Gbowee und Tawakkul Karman aus dem Jemen (v.l.n.r.).
(Foto: picture alliance/dpa)
"Es wäre mehr als verständlich gewesen, hätte das Nobelpreiskomitee die diesjährige Ehrung an die zum Teil namenlosen Protagonisten des arabischen Frühlings in Ägypten und Tunesien vergeben", schreibt die Leipziger Volkszeitung. Denn es gebe keine andere Bewegung, die "so selbstlos und tiefgreifend für Veränderungen gesorgt" habe. Es mag nun überraschend sein, dass sich das Komitee in Oslo dennoch anders entschied. "Aber: Es ist eine positive", ist das Blatt überzeugt. "Mit der Jemenitin Tawakul Karman rückt die Preisverleihung den Kampf gegen eine arabische Diktatur in den Mittelpunkt, die stellvertretend für die noch immer zahlreichen Regimes steht, in denen Willkür und politische Unterdrückung herrschen. Dennoch führen die Regime-Gegner ihren Aufstand mit friedlichen Mitteln." Daher laute die diesjährige Botschaft der Preisvergabe: "Frieden lässt sich weder militärisch noch ohne oder gegen Frauen erzwingen."
Auch die Heilbronner Stimme sieht durch die Wahl "die Vision des arabischen Frühlings, einer demokratischen, gerechten Gesellschaft" gestärkt. Aber die Entscheidung habe für den gesamten afrikanischen Kontinent "eine nicht zu unterschätzende Signalwirkung, indem sie die Bedeutung der Frauenrechte unterstreicht. Studien zeigen, dass nur in einer gleichberechtigten Gesellschaft Armut und Unterentwicklung erfolgreich beseitigt werden können. Das wurde viel zu lange vernachlässigt. Auch bei der Vergabe des Friedensnobelpreises."
Für die Badische Zeitung ist die Entscheidung des Nobelpreiskomitees "auch von Verlegenheit geprägt". Denn "wen konnte man herausgreifen, wenn der arabische Frühling ausgezeichnet werden sollte?" Es sei ja eben "das Charakteristische dieser Bewegung, dass sie führerlos ist". Das Blatt aus Freiburg vermutet darin ein "Dilemma der Jury". "Gewiss hätte die jemenitische Aktivistin Tawakkul Karman auch alleine ausgezeichnet werden können: Aber damit wäre die Journalistin womöglich überbewertet worden. So hat das Komitee einen politisch korrekten Proporzpreis vergeben. Nicht weniger, aber halt auch nicht mehr."
Die Rhein-Zeitung hält die Entscheidung der Jury für leise und weise: "Leise deshalb, weil nach der lautstarken Begleitmusik rund um die Vergabe des Preises an den chinesischen Bürgerrechtler Liu Xiaobo im vergangenen Jahr möglicherweise auch taktisches Kalkül die aktuelle Wahl beeinflusst hat. Denn so wichtig und richtig das Signal auch war, den unermüdlichen Einsatz eines gepeinigten Dissidenten zu würdigen, wohl wissend, dass der Stuhl des Preisträgers bei den Feierlichkeiten leer bleiben würde, so deutlich hat die inszenierte Kritik des offiziellen Peking ihre Spuren hinterlassen."
Die Westfälische Zeitung vergleicht die Auswahl der Preisträger mit der Auswahl 2009, wo das Komitee noch in Barack Obama den Mann gesehen, "der die Welt zum Besseren führt". Heute sei man schlauer, konstatiert das Blatt aus Münster: "Nicht das Weiße Haus, sondern Menschen vor Ort bewirken einen Wandel. Das ist die Botschaft der Aufstände in der arabischen Welt. Gerade Frauen leisten in Afrika Heldenhaftes für das 'nation building', den Aufbau demokratischer Strukturen. Ihnen geht es weniger um Machterhalt, als um die Zukunft ihrer Kinder. Obwohl sie durch archaische Traditionen brutal unterdrückt werden, haben sich einige nach vorne gekämpft. Ohne Frauen ist in Afrika kein Staat zu machen."
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Julia Kreutziger