Börsengang von Facebook "Ökonomischer Generalangriff"
18.05.2012, 20:58 Uhr
Der Börsengang von Facebook sorgt nicht nur an der Wall Street für Gesprächsstoff, sondern dominiert auch die Kommentarspalten der Presse. Und sowohl in New York als auch in den Redaktionen herrscht Skepsis vor.
"Eine Milliarde Nutzer können irren", ist sich die Frankfurter Allgemeine Zeitung sicher. "Hunderte Milliarden Dollar Börsenwert können täuschen." Über den wahren Wert des Unternehmens, das jetzt für den Moment teurer sei als Adidas, BMW und Deutsche Bank zusammen, sagten diese Zahlen nicht viel. "Sie bedeuten freilich auch kein abwertendes Urteil über eine ganze Generation", beteuert das Blatt. Denn das Netz sei ein Mittel der Verständigung. Facebook helfe bei Revolutionen, Saufgelagen und beim Blockieren von Innenstädten.
"Ein bekannter Name und ein verständliches Geschäftsmodell reichen aus, um das Kapital anzulocken wie Speck die Mäuse", so der Südkurier. Die Bewertung erscheine übertrieben, doch habe Facebook bewiesen, dass das Unternehmen im Prinzip funktioniere.
Die Leipziger Volkszeitung sieht das anders: "Es ist ein Unternehmen mit enormer Reichweite, aber ohne nachhaltig plausibles Geschäftsmodell." Deshalb sei Vorsicht geboten. Wer Facebook-Aktien kaufe, gehe eine Wette ein. "Man kann gewinnen. Aber viele Anleger bei andern Internet-Firmen haben schon verloren, wo gestern noch der Goldrausch tobte."

Mark Zuckerberg inmitten seiner Mitarbeiter bei der Öffnung des Nasdaq am Tag des Börsenganges.
(Foto: AP)
Auch die Südwest Presse meldet sich zu Wort: "Ein 28-jähriger Kapuzenpulliträger hat es pessimistischen Analysten, Datenschützern und Berufsmeckerern so richtig gezeigt und einen der größten Aktiengänge aller Zeiten perfekt programmiert." Dabei wisse jeder, dass Facebook keine 104 Mrd. Dollar wert ist sei – aber das störe niemanden.
"Wer will, mag sich an den Börsengang der Telekom erinnern", warnt die Mitteldeutsche Zeitung. "Weil jeder den Laden kannte, kauften Hinz und Kunz plötzlich Aktien. Aber reich geworden ist damit praktisch niemand. Seit Jahren dümpelt das Papier vor sich hin". Popularität allein sei offensichtlich kein hinreichendes Geschäftsmodell.
Die Pforzheimer Zeitung sagt Mark Zuckerberg einen Tanz auf dem Vulkan voraus. "Denn funktioniert seine Strategie nicht dauerhaft, Werbung in den Alltag der Nutzer so zu platzieren, dass sie gar nicht als Werbung wahrgenommen wird, dann bekommt das Netzwerk Facebook Risse. Wie schnell die Netz-Community dann untreu wird, zeigen die Beispiele von Studi VZ und Myspace, die binnen kurzer Zeit massive Bedeutungsverluste und damit auch finanzielle Einbußen hinnehmen mussten."
"Nun steht der ökonomische Generalangriff auf die Facebook-Nutzer bevor", stellt die Berliner Zeitung fest. Das ergebe sich aus der Logik des Börsenganges: "Die Erlöse sind absurd hoch, da sie nicht von realen Umsätzen und Gewinnen gestützt werden. Deutlich mehr als Hundert Dollar Reingewinn, der an die Aktionäre ausgeschüttet wird, muss Facebook nun pro Nutzer erwirtschaften, um diesen Preis annähernd zu rechtfertigen."
Das sieht Eßlinger Zeitung ähnlich. "Um den enormen Börsenwert zu rechtfertigen, müsste Facebook auch in Zukunft jährlich um 100 Prozent zulegen", rechnet die Zeitung vor. Das könne nur mit einem Geschäftsmodell gelingen, das kostenpflichtige Premium- oder Kaufdienste einführe.
"Bei allem Jubel über die märchenhafte Erfolgsgeschichte von Facebook und seinen Gründer: Zweifel am Börsengang und am Geschäftsmodell sind berechtigt", meint auch der Donaukurier. "In seiner Rolle als begnadeter Verkäufer hat Zuckerberg den Geldgebern offenbar ohne große Probleme rund 16 Mrd. Dollar abgeknapst." So einen Coup müsse ihm erst mal jemand nachmachen. "Doch mit dem Start in ein neues Firmenkapitel beginnen für Zuckerberg die Probleme."
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Thomas E. Schmitt