Pressestimmen

Verlängertes Bundeswehr-Mandat in Afghanistan "Opfer ihrer eigenen Verlogenheit"

Die Bundesregierung gibt die Richtung vor: Ein weiteres Jahr sollen die deutschen Soldaten in Afghanistan bleiben. Demnach würde der Abzug der Bundeswehr 2011 beginnen und 2014 abgeschlossen sein. Noch muss jedoch der Bundestag dem Beschluss zustimmen. Das verlängerte Mandat deutet die Presse als taktisches Allerlei der Politik.

So zweifelt die Nordwest-Zeitung aus Oldenburg nicht an einer Zustimmung des Parlaments, "verbindet sich mit der Entscheidung doch erstmals die Hoffnung auf einen allmählichen Rückzug der deutschen Soldaten. Nur, wann genau? Die Zielmarke Endes des Jahres bleibt weiter vage." Mit den Friedenstruppen gehe die letzte Hoffnung, die Taliban militärisch besiegen zu können. "Friedensstiftender als jeder Soldat wäre politischer Druck auf die afghanische Elite mit Präsident Karsai an der Spitze. Afghanistan muss den Weg zu einem Rechtsstaat finden oder die Taliban werden erneut obsiegen."

Der Abzugstermin: Niederlage für Bundesverteidigungsminister Theodor zu Guttenberg?

Der Abzugstermin: Niederlage für Bundesverteidigungsminister Theodor zu Guttenberg?

(Foto: dapd)

"Verlässlich" bewertet die Hannoversche Allgemeine Zeitung die deutsche Afghanistanstrategie, "obwohl sie bereits von drei verschiedenen Konstellationen vertreten wurde: Rot- Grün, Schwarz-Rot, Schwarz-Gelb. Dass sich jetzt wieder ein breiter Konsens in Berlin abzeichnet", sei nicht zwangsläufig. "Zu Guttenbergs Deal gehört es, den Skeptikern immerhin eine Abzugsperspektive aufzuzeigen, neuerdings sogar mit einer Jahreszahl. Zugleich aber wird jeder Abzug mit Bedingungen verknüpft - so dass keineswegs das Signal an Taliban geht, der Westen ziehe sich so oder so in Kürze zurück." Guttenberg habe nicht nur einen Sinn fürs Optische - siehe Afghanistan-Besuche mitsamt Gattin -, sondern auch fürs Taktische.

Es werde so getan, als sei bald Schluss mit dem Schießen und Sterben, analysiert derweil die Ludwigsburger Kreiszeitung. Wer aber den Text des vom Kabinett beschlossenen neuen Mandats genau lese, "all die Wenns und Abers, die erfüllt sein müssen", erkenne, dass es sich allenfalls um "den symbolischen Beginn eines symbolischen Rückzugs" handelt. "Noch mindestens vier weitere Jahre werden deutsche Soldaten am Hindukusch sein, und zwar im Kampfeinsatz."

Die Mitteldeutsche Zeitung aus Halle riecht Verlogenheit: "Hinter der Bühne tuscheln alle Experten, dass die Lage am Hindukusch einen Abzug noch nicht ermöglicht. Die SPD hört darüber hinweg. Sie müsste sonst Ernst machen und das Mandat ablehnen." Es gebe gute Gründe, für einen Abzug zu sein. In Berlin werde indes ein anderes Szenario immer wahrscheinlicher – "dass die Politik den selbst geweckten Erwartungen erliegt und spätestens 2012 unter dem Druck der näher rückenden Bundestagswahl einen Abzug einleitet, den sie im Kern für falsch hält. Sie würde zum Opfer ihrer eigenen Verlogenheit."

Und der Nordbayerische Kurier aus Bayreuth sieht die Bundesregierung unter Druck: "Die Koalition fühlt sich bemüßigt, allseitigem Drängen nachzugeben, wenigstens verbal: der öffentlichen Meinung, die den Sinn des Militäreinsatzes und der vielen deutschen Opfer mehrheitlich nicht versteht; der SPD, mit deren Hilfe eine breite Bundestagsmehrheit für die Mission gesichert wird; und Außenminister Westerwelle, der sich auf dem Papier durchgesetzt hat und damit in Sachen Beliebtheit vielleicht punkten kann."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Roland Peters

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