Pressestimmen

Hartz-IV als "Schmierenkomödie" Politiker verweigern die Arbeit

Die Verhandlungen über eine Neuregelung der Hartz-IV-Bezüge sind gescheitert. Für die Presse ist damit der Tatbestand der Arbeitsverweigerung erfüllt, denn nicht die Problemstellung ist tückisch. Den Politikern mangele es ganz einfach an dem Willen, eine Lösung zu finden. Dass Merkel jetzt eine Entscheidung im Bundesrat erzwingen will, ist für die Medien das unwürdige Ende einer Schmierenkomödie.

"Verlierer sind die 6,5 Millionen Hartz-IV-Empfänger, darunter zwei Millionen Kinder."

"Verlierer sind die 6,5 Millionen Hartz-IV-Empfänger, darunter zwei Millionen Kinder."

(Foto: picture alliance / dpa)

Theater, Theater, der Vorhang geht auf, dann wird die Politik zur Farce: Mit diesem leicht abgewandelten deutschen Schlagertext könnte man trefflich die Schmierenkomödie untermalen, die Bundesregierung und Opposition beim unwürdigen Gezerre um die Hartz-IV-Reform aufführen. Zum Schauplatz der Posse hat die Kanzlerin den Bundesrat auserkoren, der ja schon öfter als Bühne für Polit-Klamauk herhalten musste." Allerdings sei das Merkelsche Drehbuch dieses Mal leicht zu durchschauen, findet die Mittelbayerische Zeitung aus Regensburg: "Sie hat die Hartz-IV-Verhandlungen absichtlich gegen die Wand gefahren. Sie kalkuliert sehr wohl damit, bei der Abstimmung am Freitag im Bundesrat ein Land mit Geldofferten umzustimmen, um das Hartz-IV- Paket doch noch durchzubekommen."

"Es ist die Denkweise, die erschreckt", schreibt die Frankfurter Neue Presse. "Keine Seite, weder Regierung noch Opposition, gab sich sonderliche Mühe, ihre Position mit Argumenten zu unterfüttern. Verlierer sind die 6,5 Millionen Hartz-IV-Empfänger, darunter zwei Millionen Kinder. Verloren hat aber auch die politische Kultur in Deutschland. Es ist ein Totalschaden ­ mit Ansage."

Den "Tatbestand einer Arbeitsverweigerung aller Beteiligten" sieht die Heilbronner Stimme mit dem Scheitern der Hartz-IV-Reformen beinahe erfüllt: "Jeder, der mit am Verhandlungstisch saß, Schwarz-Gelb vorneweg, müsste eigentlich eine Abmahnung erhalten. Vor einem Jahr (!) hat das Verfassungsgericht die alte Hartz-Regelung als verfassungswidrig verworfen und eine Reform bis Ende 2010 gefordert. Es liegt nicht an der Problemstellung, dass kein Durchbruch möglich war. Sondern am Willen, eine Lösung zu erzielen. Zeit war genug."

Mit dem Misslingen der Hartz-IV-Verhandlungen befinden sich weder Regierung noch Opposition in einer verbesserten Ausgangslage. Die Stuttgarter Zeitung stellt vielmehr die Frage nach der generellen Handlungsfähigkeit beider Seiten: "Der Öffentlichkeit wird mit dieser Niederlage vor Augen geführt, wie abhängig Schwarz-Gelb mittlerweile vom Wohlwollen der Opposition ist. Wenn es schon für Korrekturgesetze keine parlamentarischen Mehrheiten gibt, welche Chancen haben dann erst wirkliche Reformen?"

"Anstrengende Tage stehen uns bevor", befürchtet die Mitteldeutsche Zeitung. "Tage, in denen sich Regierung und Opposition wechselseitig mit Vorwürfen überhäufen werden. Tage, in denen sich wieder ein paar Menschen mehr resigniert vom Treiben der politisch Verantwortlichen abwenden. Dabei liegen Union und FDP, SPD und Grüne mit ihren gegenseitigen Schuldzuweisungen goldrichtig: Alle tragen Verantwortung für die gescheiterten Verhandlungen über die Hartz-IV-Reform." Das Scheitern der Verhandlungen mit dem "Festhalten an richtigen Positionen zum Wohle des Landes" zu begründen ist für das Blatt aus Halle absolut nicht nachvollziehbar. Die Parteien "meinen, von allen guten Geistern verlassen, dies könnte ihnen in den anstehenden Landtagswahlen Vorteile verschaffen. Das würde- und ergebnislose Geschacher aber wird allen gleichermaßen auf die Füße fallen."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Katja Sembritzki

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen