Köhler und Afghanistan "Raus aus Schloss Bellevue!"
27.05.2010, 20:38 UhrBundespräsident Horst Köhler bringt den Einsatz der Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan mit wirtschaftlichen Interessen in Verbindung. Diese Äußerung ist laut der Presse ein Schlag ins Gesicht all jener, die im Bundestag für den Einsatz gestimmt haben, und all jener, die am Hindukusch ihr Leben aufs Spiel setzen.
"Wirtschaftskrieg in Afghanistan?", fragt der Wiesbadener Kurier. "Nur ideologische Blindgänger wie die neue Linken-Spitze können glauben, dass deutsche Soldaten am Hindukusch für die Exportinteressen von Konzernen sterben. Welche Exporte? Welche Konzerne?" Nun aber habe ausgerechnet der Bundespräsident "diese überflüssige Debatte" provoziert. Beiläufig erwähnte er in einem Interview, "dass militärische Mittel auch zur Wahrung wirtschaftlicher Interessen eingesetzt werden". Damit habe er eine Binsenweisheit kund getan. Ein Beispiel dafür sei die Präsens deutscher Soldaten zur Sicherung der Seehandelswege am Horn von Afrika. Aber "auf Afghanistan trifft ein solches Kriegsmotiv jedoch in keiner Weise zu, weder bei Deutschen noch bei Amerikanern und anderen Nato-Partnern."
"Was ist bloß in Horst Köhler gefahren?", fragt der Express. Der Bundespräsident gebe seit seiner Wiederwahl keine besonders gute Figur ab. Einst habe er der Regierung die Leviten gelesen – "als er noch 'Super-Horst' war". Doch momentan schweige er, zum Beispiel zur Finanzkrise, "wo wir die Stimme des erfahrenen Finanzfachmanns Köhler schmerzlich vermisst haben". Und nun "sein dicker Patzer". Seine Äußerungen über die Verbindung zwischen wirtschaftlichen Interessen und dem Einsatz deutscher Truppen am Hindukusch sei falsch. "Welche wirtschaftlichen Interessen sollte Deutschland ausgerechnet in Afghanistan verfolgen?", fragt das Blatt aus Köln weiter. Horst Köhler habe dadurch das "Amt des Bundespräsidenten beschädigt". "Da wünscht man sich fast, dass Köhler wieder eine Schweigephase einlegt."
Horst Köhler hat laut der tz gleich zwei Dinge verursacht: "Das deutsche Staatsoberhaupt hat nicht nur Soldaten verunsichert - er spielt auch den erbittertsten Gegnern den Afghanistan-Einsatzes in die Hände." Denn nach Köhler sei es "nicht nur legitim, wenn deutsche Soldaten für die Sicherheit ihrer Heimat sterben und töten - sondern auch für knallharte Wirtschafts-Interessen". Einer von beiden liege allerdings falsch, meint das Blatt aus München: "Entweder die Bundesregierung, die seit Jahren den Einsatz am Hindukusch nur mit Deutschlands Sicherheitsbedürfnis rechtfertigt. Oder der Bundespräsident, der im gleichen Atemzug mit dem Afghanistan-Einsatz das Militär wieder in die Tradition politisch- wirtschaftlicher Großmachtphantasien rückt." Es sei also nicht verwunderlich, wenn es jetzt nicht mehr nur heißt "Raus aus Afghanistan!", sondern auch "Raus aus Schloss Bellevue!"
Auch die Süddeutsche Zeitung kritisiert Köhlers Verhalten, der damit "allen in den Rücken gefallen" sei, "die den Einsatz im Bundestag beschlossen haben - und auch den Soldaten in Afghanistan, die sich bisher nicht als Kämpfer für den Welthandel sahen. Das Wort ist die wichtigste Waffe des Präsidenten. Besonders gefährlich wird es, wenn er sie falsch einsetzt."
"Wer den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr mit der Sicherung freier Handelswege in Verbindung bringt, der ignoriert sämtliche UN-Resolutionen, die dem Bundestags-Mandat für die Bundeswehrmission am Hindukusch zugrunde liegen", konstatiert der Trierische Volksfreund. Wäre Köhler ein Provinzpolitiker, könnte man ihm das zur Not noch durchgehen lassen. Aber "dem Staatsoberhaupt eines maßgeblich an diesem Einsatz beteiligten Landes nicht".
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Julia Kreutziger