Rente mit 69 Rechnung zur Unzeit
21.07.2009, 19:51 Uhr"Unruhe an der Rentenfront kann die Politik wenige Wochen vor der Wahl gar nicht gebrauchen", meint der "Nordbayerische Kurier". "Da hat ihr die Bundesbank ein übel riechendes Ei ins Nest gelegt. Ganz ohne Not und ohne Vorwarnung noch dazu." Die Bank-Beamten hätten ihre Rentenpläne "lieber im Tresor lassen" sollen. Denn der Blick in die weite Zukunft von gut 50 Jahren "ist gerade jetzt, mitten in der Weltfinanzkrise, alles andere als hilfreich. Die Bundesbank verunsichert, statt zu beruhigen."
"Die Notwendigkeit einer höheren Geburtenrate in den nächsten 40 Jahren hätte man den Menschen anders erklären können", findet auch Heidelberger "Rhein-Neckar-Zeitung". "Und die Kritik an einer Manipulation der Rentenformel unter dem Stichwort 'Rentengarantie' auch." Es werfe kein gutes Licht auf die Bundesbank, "wenn sie die Entwicklung von heute bis 2060 einfach fortschreibt und daraus die Horrorprognose eines Renteneintrittsalter von 69 Jahren ableitet." Das sei eher ein "analphabetischer Leseversuch im demographischen Kaffeesatz".
Für den "Trierischen Volksfreund" ist die Rente mit 69 "keine unverschämte Forderung, sondern schlicht eine realistische Einschätzung". Denn langfristig führe "an einer weiteren Erhöhung der Lebensarbeitszeit vermutlich kein Weg vorbei": "Immer weniger Beitragszahler müssen für immer mehr Rentner aufkommen. Zugleich leben die Menschen immer länger und sind auch immer fitter und gesünder im Alter."
Auch der "Münchner Merkur" weist darauf hin, dass Rentenpolitik gewiss mehr ist als Mathematik, "aber sie kann deren Gesetze nicht aus den Angeln heben, sonst wäre sie Hexerei. Jenseits aller ideologischen Debatten bleibt am Ende die nüchterne Erkenntnis, dass die Rentengleichung nur aufgeht, wenn fünf Variablen zur Übereinstimmung gebracht werden: Lebenserwartung, Zahl der Beitragszahler, Rentenhöhe, Beitragshöhe und Renteneintrittsalter." Der Zeitpunkt für den Debatten-Vorstoß sei vielleicht nicht klug gewählt. "Berlins selbsternannte Robin Hoods aber, die nun aufheulen und möglichst frühe und stetig steigende Altersbezüge versprechen, müssen sich Schlimmeres vorwerfen lassen: Sie nennen soziale Politik, was in Wahrheit der Rentenbetrug von morgen ist."
"Das erste Opfer im Wahlkampf ist die Vernunft", kommentiert die Lüneburger "Landeszeitung". Unpopuläres werde als "Quatsch", oder "dümmster Vorschlag" herabgesetzt: "Es kann nicht sein, was verstören könnte. Dabei sei die Lösung simpel: "Wer länger Rente bezieht, muss länger einzahlen. Doch leider wollen Wähler lieber betrogen werden."
Für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" sind die demographischen Fakten auf der Seite der Bundesbank. "Gerade denen, die das Rad sogar zurückdrehen wollen, fehlt jede politische Phantasie, wie diese Fakten mit den künftigen gesellschaftlichen Realitäten in Einklang gebracht werden könnten."
Die Bundesbank übersehe, "dass es bis heute in der Vorstellungswelt vieler Manager für Menschen mit 67 oder 69 Jahren schlicht keine Arbeitsplätze gibt. Erst wenn die Wirtschaft in dieser Frage umdenkt - und die Demographie wird sie dazu zwingen - ergibt eine neuerliche Debatte über das Rentenalter Sinn", meint dagegen die "Süddeutsche Zeitung" und ermahnt die Bundesbank zu mehr Feingefühl.
Die "Kölnische Rundschau" betrachtet die Sommerloch-Debatte mit rheinischer Gelassenheit. "Mit Verlaub, jetzt eine Debatte anzuzetteln über das gesetzliche Renteneintrittsalter von heute gerade einmal 19-Jährigen - das wäre schon ein wenig voreilig. Dabei kann sogar durchaus sein, dass 2060 bis 69 gearbeitet wird. Eine Faustformel der Rentenversicherer besagt nämlich, dass die Restlebenserwartung von 65-Jährigen derzeit binnen eines Jahrzehnts um anderthalb Jahre zunimmt. Nicht auszuschließen ist aber auch, dass es ganz anders kommt: Wenn die Menschen weiter so viel Zucker essen, dürfte die statistische Lebenserwartung eines Tages wieder zurückgehen. Also: auch die Rente mit 65 ist 2060 drin."
Zusammengestellt von Heidi Driesner
Quelle: ntv.de