Alarmierender Wehrbericht Robbe hat "scharf geschossen"
16.03.2010, 21:23 UhrDer Wehrbeauftrage des Bundestages, Reinhold Robbe, hat einen brisanten Jahresbericht vorgelegt, in dem er zahlreiche Missstände bei der Bundeswehr anprangert. Das Desinteresse an ihren Leiden haben die Soldaten nicht verdient, meint die Presse, - egal wie man zum Einsatz in Afghanistan politisch steht. Die Bundeswehr dürfe nicht im "bürokratischen Trott des Kalten Krieges" verharren. Guttenberg steht unter Zugzwang.

Um eine moderne Armee zu werden, muss die Bundeswehr viel nachholen.
(Foto: dpa)
Die Lüneburger Landeszeitung bemängelt die Gleichgültigkeit gegenüber dem Befinden der deutschen Soldaten und sucht nach Ursachen für dieses Desinteresse: "In Homers 'Ilias' mutiert Achilles durch den Tod seines Gefährten Patroklos zum blindwütigen Berserker. Endloser Schüttelfrost machte aus Veteranen des Ersten Weltkriegs hilflose 'Kriegszitterer': Die Grenzerfahrung des Krieges zerfetzte zu allen Zeiten die Seelen von Soldaten. Aber nicht zu allen Zeiten war das Interesse daran so gering. Diese Gleichgültigkeit zeigt, wie sehr das Konzept des 'Bürgers in Uniform', des in der Gesellschaft verankerten Soldaten, ausgehöhlt worden ist. Nach den Blutbädern des Zweiten Weltkriegs war Krieg verpönt. Verteufelt wurde er, als die Überzeugung um sich griff, dass die Jahrzehnte des Friedens, die Deutschland genießen durfte, der Normalfall der Geschichte oder ihr Endpunkt seien. Tatsächlich ist aber Krieg der Normalzustand der Menschheit. Man mag dies mit Recht bedauern. Das rechtfertigt aber nicht, die Leiden der Soldaten zu ignorieren."
"Dass der Wehrbeauftragte einen ganzen militärischen Organisationsbereich 'vor die Wand gefahren' sieht und dem obersten Chef des Zentralen Sanitätsdienstes 'klares Versagen' vorwirft, ist neu", kommentiert die Westdeutsche Zeitung aus Düsseldorf. Und ergänzt: "Und ungeheuerlich. Aber - leider - nachvollziehbar. Das gesamte Sanitätswesen gehört auf den Prüfstand. Unsere Soldaten haben ein gesetzliches Anrecht auf Fürsorge."
"Die Bundeswehr steht in Afghanistan vor der größten Herausforderung ihrer Geschichte und sie ist offenbar überhaupt nicht ausreichend darauf vorbereitet. Gravierender Ärztemangel, bürokratische Führungsstrukturen, veraltete Ausrüstung lauten nur einige Stichworte auf Reinhold Robbes Mängelliste", fasst die Märkische Allgemeine knapp zusammen. Das Blatt aus Potsdam kritisiert die Missstände und fordert einen besseren Beistand für die Soldaten: "Dass etwa Soldaten an den Hindukusch geschickt werden, um dort schwere Fahrzeuge wie den Dingo zu fahren, ohne dass sie das einmal vorher üben können, ist abenteuerlich und hat nichts mit den Anforderungen an eine moderne Armee zu tun. Wie auch immer man zu dem Einsatz in Afghanistan politisch steht: Jeder junge Mensch, der dorthin geschickt wird, hat Anspruch auf die bestmögliche Ausrüstung und Unterstützung. Das ist die Politik, das sind wir alle unseren Soldaten schuldig."
Für die Allgemeine Zeitung klingt der Bericht erschreckend: "Wenn er die Wahrheit trifft, muss Alarmstufe Rot ausgerufen werden. Wenn es zutrifft, dass der zuständige Inspekteur den Bereich Sanität 'an die Wand gefahren hat', wie Robbe eindrucksvoll formuliert, dann muss Verteidigungsminister zu Guttenberg eine Frage beantworten: Warum hat er einen General, der ihm unangenehme Fragen zum Fall Kundus stellt, gefeuert, den Inspekteur des Sanitätswesens, der nach Überzeugung des Wehrbeauftragten kläglich versagt, aber nicht?" Das Blatt aus Mainz ist sich der Kompetenz des Verteidigungsministers noch nicht ganz sicher: "Guttenberg ist derzeit das Darling der deutschen Politik, auch mangels Alternativen. Und er ist schneidig. Ob er aber wirklich so gut ist, wie er aussieht, muss sich noch erweisen."
"Scharf geschossen hat Reinhold Robbe in seinem Bericht. Das ist notwendig, denn der Wehrbeauftragte ist das Auge der Öffentlichkeit hinter den Kasernenzäunen", konstatiert der Konstanzer Südkurier und bemängelt ein Verharren in alten Abläufen: "Und da läuft eben noch vieles im alten bürokratischen Trott des Kalten Krieges, als die Truppe freitagsmittags ins Wochenende desertierte. Dass in einer Einsatz-Armee die Uhren schneller gehen müssen, scheint sich noch nicht überall herumgesprochen zu haben." Das Blatt ruft Guttenberg in die Pflicht, der "dort in Stellung gehen" sollte, "wo sein Vorgänger Jung auf Gammeldienst machte". Ein Skandal sei der Personalmangel in den Kliniken der Truppe, "für den der verantwortliche Inspekteur geradestehen muss". "Robbe hat ihn indirekt zum Wegtreten aufgefordert. Vermutlich war seine Standpauke notwendig, damit sich etwas ändert. Inspekteure sind schon wegen nichtigeren Dingen geschasst worden. Guttenberg kann also an diese Linie nahtlos anknüpfen."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Nadin Härtwig