Bundespräsidentenwahl "SPD wollte gar nicht siegen"
23.05.2009, 12:33 Uhr60 Jahre nach ihrer Gründung steht die Bundesrepublik vor einer der spannendsten Bundespräsidenten-Wahlen ihrer Geschichte. SPD-Kandidatin Gesine Schwan tritt gegen Amtsinhaber Horst Köhler an.
60 Jahre nach ihrer Gründung steht die Bundesrepublik vor einer der spannendsten Bundespräsidenten-Wahl ihrer Geschichte. Amtsinhaber Horst Köhler bewirbt sich gegen die SPD-Kandidatin Gesine Schwan um die Wiederwahl. Während Köhler auf die CDU/CSU, FDP und die Freien Wähler hofft, baut Schwan auf SPD, Grüne und Die Linke. Diese schickt jedoch mit Peter Sodann einen eigenen Kandidaten ins Rennen. Die Presse sieht dem Ausgang der Wahl gespannt entgegen, gibt aber Köhler die größere Siegchance.
Dass Köhler eine zweite Amtszeit verdient habe, diesen Standpunkt vertritt der Münchner Merkur. Auch wenn dem Ex-Direktor des Internationalen Währungsfonds nach wie vor intellektuelle Brillanz und staatsmännischer Glanz fehlten, so sei er doch "jener ärgerlichen Einseitigkeit der Anfangsjahre entwachsen, in denen er sich als Herold der Wirtschaftselite gab und den Sorgen des kleinen Mannes mit völligem Unverständnis begegnete". Köhler sei nun unbequem, wie er es versprochen habe. Und wenn aus ihm wohl auch kein Weizsäcker mehr werde, so habe er gleichwohl "einen Carstens, einen Herzog, einen Rau (…) längst überflügelt", verlautet es aus Bayern. Den Vorwurf, Köhler schiele auf schnellen Applaus, weist das Blatt ab. Dies werde ihm nicht gerecht, vielmehr habe er inmitten der Wirtschaftskrise eine Wellenlänge gefunden, "auf der die Deutschen und ihr Staatsoberhaupt gemeinsam schwingen".
Dass es bessere und auch aussichtsreichere Gegenkandidaten für Köhler gegeben hätte als Gesine Schwan, davon geht die Süddeutsche Zeitung aus. Das Blatt argwöhnt, die SPD wolle "gar nicht siegen". Die Sozialdemokraten hätten den Ball in der Hand gehabt, doch statt ihn zu spielen, hätten sie "taktiert und dicke Fehler gemacht". Die Münchener Zeitungsmacher werfen Beck und Steinmeier Versäumnisse vor. Sie hätten ein Aufbruchsignal zum Machtwechsel geben können, "(…) wie seinerzeit Willy Brandt und Walter Scheel, die 1969 das Ende der Großen Koalition einläuteten und beschlossen, den Sozialdemokraten Gustav Heinemann zum Bundespräsidenten zu wählen."
Auch das Westfalen-Blatt glaubt nicht an einen Wahlsieg der SPD-Kandidatin. Ihr ganz persönlicher Wahlkampf, in dem sie über soziale Unruhen schwadroniert, das Unrecht in der DDR relativiert, die Linke bei Laune gehalten und die Grünen hofiert habe, nütze ihr alles nichts, so das Blatt. Sollte sie dennoch ins Schloss Bellevue einziehen, sagen die Bielefelder Zeitungsmacher Parteichef Müntefering und Kanzlerkandidat Steinmeier "in puncto Koalitionsaussage ein Glaubwürdigkeitsproblem" voraus.
Der Westfälische Anzeiger sieht einen Wahlsieg Köhlers als garantiert. Das Hammer Blatt sieht in der am Beginn des Superwahljahres stehenden Bundespräsidentenwahl keine Entscheidung zwischen zwei Persönlichkeiten, sondern eine Entscheidung im Schatten des Lagerdenkens. Das Ergebnis werde so oder so als Vorentscheidung für kommende Urnengänge gewertet, prophezeit das Hammer Blatt. Und dies sei für Horst Köhler "fast schon die Siegesgarantie". Kanzlerin Merkel könne es sich einfach nicht leisten, dass ihr Kandidat durchfalle: "Sie wird alles dafür tun, dass die knappe Mehrheit des eher konservativen Lagers steht", argumentieren die Zeitungsmacher. Sie können dem Ganzen aber dennoch etwas Positives abgewinnen: "Dass bei einem Wahlsieg von Gesine Schwan gleich beide wichtigsten Staatsämter in Frauenhand wären, spielte im Wahlkampf keine Rolle. Noch vor zehn Jahren wäre das undenkbar gewesen. Das Land ändert sich also doch. Manchmal merken wir es nur nicht sofort."
Allen Unkenrufen zum Trotz und fernab von parteipolitischen Streitereien kann die Neue Westfälische der Kandidatur von Gesine Schwan etwas Positives abgewinnen. Sie sieht in ihr eine Belebung der Demokratie. Der Wettstreit um Schloss Bellevue werte das Amt auf, "weil es dadurch stärker ins allgemeine Bewusstsein" rücke. Es werde klar, dass es sich bei der Wahl des Bundespräsidenten nicht um einen langweiligen Automatismus handele, sondern "in der Bundesversammlung tatsächlich auf die Entscheidung jedes Einzelnen" ankomme, heißt es aus Bielefeld.
Zusammengestellt von Susanne Niedorf
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Susanne Niedorf-Schipke