Verpflichtende Zusatzvorsorge "Schreiende Ungerechtigkeit"
22.10.2009, 20:48 UhrUnion und FDP haben sich darauf verständigt, die gesetzliche Pflegeversicherung durch eine verpflichtende Zusatzvorsorge zu ergänzen. Die damit verbundenen zusätzlichen Kosten für die Bürger lassen die Wogen hochschlagen.

Die gesetzliche Pflegeversicherung soll durch eine verpflichtende Zusatzvorsorge ergänzt werden.
(Foto: AP)
"Das ist ziemlich befremdlich", schreibt die Berliner Zeitung. "Zum einen besteht gar kein Grund, jetzt mit kaum durchdachten Konzepten vorzupreschen. Die Pflegeversicherung erwirtschaftet in diesem Jahr erneut einen ordentlichen Überschuss, so dass sie Ende des Jahres über ein Finanzpolster von knapp fünf Milliarden Euro verfügen dürfte. Zum anderen hat die Erfahrung mit der Riester-Rente in der Finanzkrise gezeigt: auch der Staat kann viel Geld verlieren, wenn er es in Aktien und Fonds anlegt was er ja wieder tun müsste, wenn er einen Kapitalstock für die Pflegeversicherung bilden wollte". Man könne das Geld genauso gut in den Sparstrumpf stecken, denn "selbst ohne Krise sähe es kaum besser aus. Experten haben letztes Jahr errechnet, dass die realen Kursgewinne an den Börsen seit 1970 nur 1,4 Prozent jährlich betragen haben".
Welche Richtung Union und FDP bei der Reform der sozialen Sicherungssysteme einschlagen meint der Südkurier zu erkennen: "Es ist eine Abkehr vom Prinzip der solidarischen Finanzierung, wonach Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils die Hälfte der Beiträge bezahlen. Schwarz-Gelb will den Erwerbstätigen immer mehr Lasten auf bürden", so das Blatt aus Konstanz. Gewinner sei letztlich die Wirtschaft, deren Lohnkosten sinken. "Merkel und Westerwelle verfolgen damit ein langfristiges politisches Ziel. Sie wollen die Sozialkosten vom Faktor Arbeit entkoppeln. In Zeiten einer Wirtschaftskrise kann dies sicher ein geeignetes Mittel sein, um das Wachstum anzukurbeln. Doch ob die Rechnung aufgeht, ist völlig ungewiss."
Die Neue Presse konstatiert: "Die Union setzt wie die FDP auf Privatisierung, auf Kapitalbildung, wie es beschönigend heißt". Dabei ginge es im Grunde jedoch einfach nur "um eine Zwangsabgabe für Arbeitnehmer. Statt mehr Netto vom Brutto, wie Schwarz-Gelb versprochen hat, soll es zunächst also weniger Geld in der Brieftasche geben." Rätselhaft bleibt der Hannoveraner Zeitung, "warum nicht einfach beide Seiten, Beschäftigte und Arbeitgeber, gemeinsam mehr zahlen sollen. Pflege ist ein sensibles Thema, Solidarität ist hier besonders wichtig. Am Ende könnte die Entlastung für Unternehmen gering, der politische Schaden für die Koalition dagegen groß sein".
"Anstatt jetzt wieder an kleinen Schräubchen in Pflege- und Krankenversicherung zu drehen, was zu einer Privatisierung dieser Systeme führen wird, sollten die Koalitionäre über eine sozial ausgewogene Reform aus einem Guss für Pflege und Gesundheit nachdenken. Denn beide Sozialversicherungen gehören eng zusammen", ist in der Rhein-Zeitung zu lesen. "Bevor dies geschieht, hält es der Experte Bert Rürup für sinnvoller, zum Beispiel einen Pflege-Riester einzuführen. Ein guter Vorschlag. Denn so könnte die private Vorsorge mit steuerlichen Anreizen gestärkt werden. Alles andere wäre purer Aktionismus auf dem Rücken der ohnehin gebeutelten gesetzlich Versicherten."
Die Oldenburgische Volkszeitung lenkt zunächst ein und schreibt: "Keine Frage die gesetzliche Pflegeversicherung muss angesichts des demographischen Wandels dringend reformiert werden. Wenn die künftigen schwarz-gelben Koalitionspartner nun einen sanften Wechsel hin zur Kapitaldeckung einleiten, dann ist das der richtige Weg zur Stabilisierung der fünften Säule der sozialen Sicherungssysteme". Allerdings, so betont auch die Zeitung aus Vechta, müssten die Arbeitgeber "ebenso in die Pflicht genommen werden - die alleinige Mehr-Belastung von Versicherten ist eine schreiende Ungerechtigkeit".
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Susanne Niedorf