Pressestimmen

Benedikts Sozialenzyklika "Schwacher Aufguss"

Der Papst-Appell mit seiner Forderung nach einer politischen Weltautorität ruft zwiespältige Reaktionen hervor. "Laut und eindrucksvoll" habe sich Benedikt zurückgemeldet, aber auch seine Grenzen als unpolitischer Papst aufgezeigt, der es sich zu leicht mache.

Der Papst erhält für seine Sozialenzyklika zugleich Lob und Kritik.

Der Papst erhält für seine Sozialenzyklika zugleich Lob und Kritik.

(Foto: dpa)

Nachdem es zuletzt still geworden sei um Benedikt XVI, habe er sich "laut und eindrucksvoll" zurückgemeldet, schreibt der Express aus Köln, "als moralische Instanz und kompromissloser Anwalt der Armen". Wenn er eine Art Weltregierung fordere, klinge das fast revolutionär. "Eine Utopie, nicht realisierbare Träume eines Idealisten, werden viele sagen. Doch brauchen wir nicht gerade Visionen, wenn wir die Zukunft gerechter gestalten wollen?", fragt sich das Blatt und zieht den Vergleich zum US-Präsidenten, der dies mit seiner Politik vorlebe. "Benedikts Botschaft ist ein Denkzettel für uns alle, aber vor allem für die Mächtigen der Welt, die sich ab heute im italienischen L'Aquila zum G8-Gipfel treffen, ­ein flammendes Plädoyer für neue Regeln in der globalisierten Wirtschaft und für Werte, die wirklich zählen: Gerechtigkeit statt Gier, Demut vor der Schöpfung, Nächstenliebe und Respekt vor der Menschenwürde."

Ambivalent äußert sich die Süddeutsche Zeitung, die seit Pius XII. keinen Pontifex mehr als so weltfremd empfunden hat wie Benedikt XVI. "Der Welt fremd sein, ihr nicht in jeder Mode hinterherzujapsen, das ist durchaus eine Haltung, die christlichen Kirchen steht - und damit auch dem Papst. Benedikts Weltfremdheit hat der Welt einen großartigen Text gebracht: 'Deus Caritas est', die Enzyklika über Gott, der die Liebe ist. Zunehmend aber werden die Grenzen dieses unpolitischen Papstes sichtbar, bei der Regensburger Rede wie beim Umgang mit den traditionalistischen Pius-Brüdern. Oder eben jetzt, wo ein Wort über die neuen Dinge dieser Welt notwendig gewesen wäre - und doch nur ein schwacher Aufguss des bereits Gesagten herausgekommen ist."

"Zu leicht macht es sich der Papst, wenn er nach einer 'echten politischen Weltautorität' ruft, die von der Krise betroffene Wirtschaften saniert; den sich daraus ergebenen Ungleichgewichten vorbeugt; die vollständige Abrüstung verwirklicht; Umweltschutz gewährleistet und Migrantenströme reguliert", kritisiert die Nürnberger Zeitung. "Ja was denn noch alles? Eine solche zentrale Machtfülle hat nicht einmal der Papst in der katholischen Weltkirche." Das Blatt deckt auch Widersprüche auf: "Dieses Ansinnen widerspricht auch in gewisser Weise der Katholischen Soziallehre, die auf den Prinzipien von Solidarität und Subsidiarität beruht."

"Die Schaffung einer 'echten politischen Weltautorität', die Benedikt vorschlägt, geht auf einen seiner Vorgänger, nämlich Johannes XXIII., zurück", erinnert der Mannheimer Morgen. Doch auch wenn dieser seit 1963 tot sei, habe seine Idee nichts von ihrer Aktualität verloren. Stattdessen zeige die verstrichene Zeit, "wie schwer sich weltumfassende Regelungen umsetzen lassen". "Benedikts Vorstoß ist zu wünschen, nicht ebenso an der realen Welt zu scheitern. Doch wer fängt damit an?"

Auch die Stuttgarter Zeitung äußert sich positiv über Benedikts Schrift, macht in ihr jedoch auch eine Art Ohnmacht aus: "Immerhin: der Pontifex bleibt seiner Linie treu. Wurde seine Skepsis gegenüber dem Konsumdenken, dem Machbarkeitsglauben oder dem Profitstreben früher als unmodern belächelt, hat Benedikt XVI. jetzt - in der Krise -­ den Zeitgeist auf seiner Seite. Seine moralischen Appelle, Wirtschaft und Politik mehr an den Prinzipien von Nachhaltigkeit und Solidarität auszurichten, sind nicht wertlos, sondern sympathisch und bewusstseinsschärfend. Doch sie sind auch Ausdruck von Hilflosigkeit. Einen konkreten Weg aus der Misere kann der Papst nicht weisen."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Nadin Härtwig

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