Zentrale Fußfesselüberwachung "Sicherheit ist eher trügerisch"
29.08.2011, 20:42 Uhr
Seit Jahren wird in Deutschland über die elektronische Fußfessel für als gefährlich geltende entlassene Straftäter gestritten. Jetzt wird aus der grauen Theorie harte Realität. Ab 2012 wird die GPS-gestützte Überwachung bundesweit eingesetzt. Einen entsprechenden Staatsvertrag haben Vertreter der Länder Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern am Montag unterzeichnet. Bayern und Hessen hatten bereits unterschrieben, die anderen Länder wollen später beitreten. Überwacht werden sollen die Ex-Kriminellen durch ein gemeinsames Technikzentrum in Bad Vilbel bei Frankfurt am Main. Ob die zentrale Kontrolle allerdings mehr Sicherheit garantiert, daran zweifeln die Kommentatoren der deutschen Zeitungen.
Die Frankfurter Rundschau findet die Übereinkunft der Länder, mit einer Fußfessel ausgestattete Straftäter, die aus der Sicherungsverwahrung kommen und als gefährlich gelten, durch ein gemeinsames Technikzentrum überwachen zu lassen, "vernünftig". Doch die Tageszeitung aus Hessen ist überzeugt, "(…) auch die zentrale Kontrolle kann die Sicherheit nicht garantieren. Nicht nur benötigt die Fessel wegen der verwendeten GPS-Technik sehr viel Strom und ist daher fehleranfällig. Vor allem aber unterrichtet sie die Kontrolleure lediglich über den Aufenthaltsort des Kontrollierten, von seinem Tun erfahren sie nichts". Die Kommentatoren kommen zu dem Schluss: "Die Sicherheit dank elektronischer Fußfessel ist - wie alle Sicherheit - nur relativ".
Auch die Märkische Oderzeitung hinterfragt die Tauglichkeit der geplanten zentralen Lösung: "Wenn im hessischen Bad Vilbel die Alarmglocken läuten, ist es ein weiter kommunikativer Weg in andere Bundesländer. Was aber wäre eine Alternative? Therapien, die bereits in der Sicherungsverwahrung angeboten werden, haben nicht immer den erhofften Erfolg". Folgerichtig, so das Blatt aus Frankfurt/Oder, müsse es eine Art Überwachung der entlassenen Straftäter geben, von denen weiterhin eine Gefahr ausgehe: "Das bislang praktizierte Modell der Rund-um-die-Uhr-Bewachung durch die Polizei ist angesichts von massiven Stellenstreichungen nicht mehr realisierbar. Ein Patentrezept gegen rückfällige Verbrecher ist die Fußfessel nicht. Aber sie ist eine Hürde, um Straftäter von weiteren Verbrechen abzuhalten."
Skeptisch gibt sich auch der Westfälische Anzeiger: "Da blinkt in der Länder-Zentrale im hessischen Bad Vilbel ein Lämpchen auf und signalisiert, dass irgendwo ein paar hundert Kilometer weiter ein Ex-Häftling sich gerade nicht dort aufhält, wo er sein sollte. Was er dort tut, bleibt unabsehbar". Für die Kommentatoren der Zeitung aus Hamm steht außer Zweifel: "Die tatsächliche Sicherheit, die eine elektronische im Alltag verspricht, ist damit eher trügerisch und geht einher mit einer gleichzeitigen Risiko-Verlagerung auf eine schon heute personell ausgedünnte Polizei. In der Summe kein Grund, hinter diese gewaltige Herausforderung auch nur ein kleines Häkchen zu machen".
Dass die neue Form der GPS-gestützten Überwachung "ebenso wenig ein Allheilmittel" ist, "wie es das Vorgängermodell war", betont auch der Mannheimer Morgen. Dennoch könne diese Art der Fessel "eine präventive Wirkung entfalten, auch wenn sie nicht alle Entlassenen von weiteren Straftaten abhalten wird. Die elektronische Fußfessel muss als eine Ergänzung im Strafsystem angesehen werden. Und als solche ist sie sehr wohl sinnvoll".
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Susanne Niedorf-Schipke