Die Guttenbergs in Afghanistan "Sie erliegen der Versuchung"
13.12.2010, 18:55 UhrDer Verteidigungsminister nimmt seine Ehefrau und einen Talkmaster zum Truppenbesuch nach Afghanistan mit. Zu Hause sorgt die Reise für harsche Kritik. Die Verquickung von Politik, Glamour, Show und Entertainment kommt auch beim Großteil der Presse nicht gut an: "Es war zu viel Tamtam für den Ernst der Lage." Der Minister müsse aufpassen, dass er sich "im Olymp der Popularität" nicht zu oft von der Euphorie davontragen lasse. Allein der Berliner Tagesspiegel sieht keinen Anlass zum Naserümpfen und fragt sich, ob sich wohl jemand empört hätte, wenn Franz Josef Jung nebst Gemahlin mit Kekse im Gepäck am Hindukusch aufgetaucht wäre.
Dass der Verteidigungsminister und seine Frau fotogen sind, sei den Guttenbergs nicht vorzuwerfen, meint die Märkische Oderzeitung. Auch nicht, "dass er flinker im Kopf und gewandter mit der Zunge ist als Deutschlands Durchschnittspolitiker". Nicht umsonst gelte Karl-Theodor zu Guttenberg, der gerne angelsächsisch knapp als KT agiert, schon als nächster Kanzler aus den Reihen der Union. Allmählich müsse er aber aufpassen, dass er bei der Selbstinszenierung nicht überdreht, urteilt das Blatt und warnt. "Es sind schon manche als politisches Talent gestartet und als geplatzter Luftballon gelandet."
Ohne Not, konstatiert der Reutlinger General-Anzeiger, setze sich Karl-Theodor zu Guttenberg der Kritik aus, dass er sich hier mit den Soldaten als Staffage vom Fernsehen und Sat 1-Quoten-Gutmensch Johannes B. Kerner vereinnahmen ließ. Welches Bild gibt ein Minister ab, fragt das Blatt, der sich derart medial inszenieren lässt? "War Kerner jetzt für die Guttenbergs dort unten oder sie für Kerner? Diese Verquickung von Politik, Glamour, Show und Entertainment ist instinktlos."
Guttenberg ist nicht der erste Politiker, der sich mit Hilfe des Berufsopportunisten Johannes B. Kerner medial inszeniert, ordnet die Frankfurter Rundschau den "Show-Besuch" am Hindukusch ein: "Er ist aber der erste, der sein Bild mit letzter Konsequenz entpolitisiert." Nicht, dass er keine Politik zu bieten habe, sei der Skandal, kommentiert das Blatt: "Sondern dass er sie gezielt versteckt. Ihm geht es nicht darum, uns zu überzeugen. Ihm geht es darum, Emotionen zu wecken für ein Produkt, das der Kopf ihm nicht abkauft: den in der Bevölkerung mehrheitlich abgelehnten Krieg. Dass der fahrende Frontschauspieler Gattin Stephanie mitnimmt, rundet das Bild nur ab. Wer Krieg zur Fernsehshow trivialisiert, kann auf eine reizende Assistentin nicht verzichten."
Selbst bei Wohlmeinenden keimt Unbehagen über Guttenbergs jüngste Kundus-Visite, ist der Kollege des Nordbayerischen Kuriers sich sicher. Denn: "Es war zu viel Tamtam für den Ernst der Lage. Guttenberg beeindruckt in der Regel mit der edlen Eigenschaft, den Takt wahren zu können", kommentiert das Blatt aus Bayreuth. Im Olymp der Popularität trage ihn jedoch gelegentlich die Euphorie davon. Das Foto am Times Square kommt einem in den Sinn. Und jetzt dieser Auftritt in Afghanistan, der mit Kerner zur Show wurde. Sich in Szene zu setzen, halten Politiker für unverzichtbar. Sie erliegen der Versuchung, eine lästige Situation daheim mit starken Bildern zu überspielen. Die Soldatinnen und Soldaten draußen aber entrinnen der Ödnis und Todesgefahr nicht.
Ganz anders als die Kollegen schätzt der Tagesspiegel die Stippvisite ein: "Den Deutschen sind solche Auftritte unvertraut, jedenfalls aus dem eigenen Land", schreibt das Blatt aus Berlin und erinnert daran, dass einst Jacqueline Kennedy vor 50 Jahren an der Seite von John F. Kennedy zur bestgekleideten Frau der Welt gekürt wurde. Auch "Carla Bruni stelle auf Reisen mit Nicolas Sarkozy ihren Mann oft in den Schatten. Michelle und Barack Obama treten ganz selbstverständlich international als Paar und national als Talkshowgäste auf." Nur bei uns müsse Politik möglichst bieder und ernst sein, bemerkt das Blatt und legt die "Hand aufs Herz: Hätte Guttenbergs Vorgänger, Franz Josef Jung, seine Frau Beate, mit selbst gebackenem Gebäck für die Truppe, einmal mit nach Afghanistan genommen, hätte sich wohl kaum jemand empört."
Als "Meister der Inszenierung" bezeichnet die Pforzheimer Zeitung den Verteidigungsminister. Guttenberg wisse, "dass ein paar schöne Fotos mit ein paar schönen Menschen darauf Wunder wirken fürs Image", urteilt das Blatt und wehrt die Frage nach den Inhalten ab: "Viel zu schwer zu verstehen. Die Wahrheit über den Afghanistan-Einsatz? Will doch keiner hören. Stattdessen macht Guttenberg Symbolpolitik: Zu Weihnachten ein Truppenbesuch zusammen mit der Ehefrau eine hübsche Geste, die ankommt."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Diana Sierpinski