Wulff bleibt in der Kritik "Treten Sie zurück!"
05.01.2012, 20:39 UhrDas Schmierentheater geht weiter: Auch einen Tag nach dem Interview von Christian Wulff, das eigentlich alles klären sollte, kommt der Bundespräsident nicht aus der Kritik. Die "Bild"-Zeitung widerspricht seinen Aussagen und will Wulffs Mailbox-Spruch veröffentlichen. Das Boulevardblatt scheint den höchsten Mann im Staat in der Hand zu haben. Wulff hat die Kontrolle verloren. Doch die Aufklärung des Sachverhalts sollte nicht zur reinen Jagd verkommen. Sonst droht neben der Vertrauenskrise der Politik schnell eine Vertrauenskrise der Medien.

In einem Brief bittet "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann Christian Wulff um die Genehmigung, den Inhalt von Wulffs Mitteilung auf Diekmanns Mailbox im Zusammenhang mit der Berichterstattung über eine Hausfinanzierung Wulffs und seinen Privatkredit veröffentlichen zu dürfen.
(Foto: dapd)
"Schlimmer konnte es wahrlich nicht mehr kommen: Jetzt haben die Zeitungsmacher den Bundespräsidenten in ihrer Hand", schreibt die Nordwest-Zeitung. Denn sie könnten jetzt entscheiden, ob sie den Anrufbeantworter-Spruch von Christian Wulff veröffentlichen und ihn damit der Lüge überführen – oder ob sie die Veröffentlichung so lange zurückhalten, wie der höchste Mann im Staat ihren Wünschen nachkommt. "Kein Präsident der Bürger, ein Präsident der Bildzeitung. Ein wahrer Albtraum. Ein Polit-Krimi ohne Beispiel." Das habe Deutschland nicht verdient. "Herr Bundespräsident, erweisen Sie Ihrem Amt eine letzte Ehre: Treten Sie zurück!", ist daher die klare Forderung des Blattes aus Oldenburg.
Diese deutlichen Worte wählt auch der Donaukurier aus Ingolstadt, denn "dass sich Wulff weigert, seine Worte auf der Mailbox des Chefredakteurs öffentlich zu machen, lässt nichts Gutes ahnen. Warum will er das nicht? Muss er sich davor fürchten? Inzwischen wirkt das Ganze so, als habe Wulff endgültig die Kontrolle über den Fall verloren. Mehr und mehr verdichtet sich der Eindruck, da ist einer seinen Aufgaben nicht gewachsen. Das Amt ist zu groß für ihn. Wenn Christian Wulff noch einen letzten Rest an Souveränität besitzt, müsste er sich fragen, wie er weiteren Schaden abwenden könnte. Die Antwort wäre: Indem er zurücktritt."
Für die Westdeutsche Zeitung sei es dagegen eine Frage des Anstands, dass die "Bild"-Zeitung Wulffs Mailbox-Spruch nicht gegen seinen Willen veröffentlicht. Denn der Bundespräsident habe wie alle anderen auch ein Persönlichkeitsrecht. So kommt das Blatt zu dem Schluss: "Er muss es sich nicht bieten lassen, dass alle Welt nun Ohrenzeuge seiner offenbar sehr emotionalen Mailboxnachricht wird. Das hat nicht nur etwas mit der Würde der Person, sondern auch mit der in diesen Tagen viel beschworenen Würde des Amtes zu tun."
Die Allgemeine Zeitung räumt zwar ein, dass der Bundespräsident "ein gestörtes Verhältnis zur Pressefreiheit" habe. Doch lässt sie auch kein gutes Haar am Boulevard. Der nutze "diese offensichtliche Glaubwürdigkeitslücke Wulffs für seine Spielchen. Spielchen, die einen Gutteil der Bürger ebenso gegen die Medien aufbringen wie gegen einen Bundespräsidenten (…). Wenn die Aufklärung seiner mangelhaften Integrität zur reinen Jagd verkommt, die Auflage, Quoten und Klicks bringen, dann gesellt sich zur Vertrauenskrise der Politik schnell eine Vertrauenskrise der Medien."
"Soll man angesichts dieses Schmierentheaters verzweifeln?", fragen die Kieler Nachrichten. Das Blatt gebe zu, dass "ein Präsident, der auf Gedeih und Verderb von einer großen Boulevardzeitung abhängt", "eine ganz traurige Gestalt" sei. Aber deshalb gehe der Staat nicht gleich den Bach runter. Nein, die Zeitung hat Vertrauen und begründet: "(…) diese Republik hält auch einen Präsidenten aus, der nicht mehr viel für das Land bewirken wird. Und sie hat – zum Glück – viele Politiker, die Amt und Macht nicht für Gratisurlaube und Billigkredite missbrauchen, sondern anstreben, Verantwortung zu übernehmen. Es ist ein ermutigendes Zeichen, dass einem auf Anhieb fünf bis zehn Persönlichkeiten einfallen, die Wulff von heute auf morgen ersetzen könnten."
Quelle: ntv.de