Sorgerechtsurteil "Überfällige Anpassung"
03.08.2010, 20:42 Uhr
Unverheiratete und Väter dürfen sich nach einer Trennung jetzt auch um ihre Kinder kümmern.
(Foto: dpa)
Das Bundesgericht legt fest: Ledigen Vätern darf nicht mehr automatisch das Sorgerecht verweigert werden, wenn die Mutter nicht zustimmt. Damit stärkt das Gericht vor allem die Interessen der Kinder und die Rechte der Väter, die künftig mitbestimmen dürfen - wenn sie denn daran interessiert ist. Denn unverheiratete Väter sind keine homogene Masse.
"Im Zweifel für das Kind: Das ist auch bei diesem Urteil der Kernsatz", konstatiert die Stuttgarter Zeitung. Bei der neuen Sorgerechtsregelung gehe es nicht darum, "alleinstehende Mütter in ihren Rechten von oben herab zu beschneiden". Auch liege es den Richtern fern, "ledige Vätern zu bevorteilen", grenzt das Blatt ab und fasst zusammen: "Kurzum: Es geht den Richtern nicht darum, sich in Beziehungsprobleme einzumischen, emotionale Altlasten zu analysieren, Lebensentwürfe infrage zu stellen, nicht darum, Mütter- gegen Väterinteressen und umgekehrt auszuspielen. Das Verfassungsgericht hat das vorrangige Interesse des schwächsten Gliedes der Kette betont, die Kinder werden es ihm danken."
Der Mannheimer Merkur erinnert, dass unverheiratete Väter sich bisher im rechtsfreien Raum bewegt hätten und von den Entscheidungen der Mütter abhängig gewesen wären. Männer hätten kaum eine Chance gehabt, gegen eine Ausschließung aus der Erziehung zu klagen. Aber, erinnert das Blatt auch kritisch, "Väter ohne Trauschein sind freilich keine homogene Masse. Es gibt stark Engagierte und total Desinteressierte, Verwöhnväter und Unterhaltsflüchtlinge. Profitieren können von der neuen Regelung vor allem jene Männer, die sich um die Entwicklung ihres Kindes sorgen."
Die Frankfurter Rundschau sieht die unverheirateten Väter ebenfalls als heterogene Gruppe, denn werde der "Väteraufbruch (…) viel öfter beschworen als gelebt". Nichtsdestotrotz bewege sich etwas. Das Blatt drückt es so aus: "Immerhin jeder fünfte Vater bleibt mal zu Hause. Immerhin kümmern sich mehr Väter mit um den Nachwuchs." Das Bundesverfassungsgericht greife nun diesen Prozess auf und spreche "gar von einem Elternrecht der Väter im Sinne des Kindeswohls. Es nimmt die Männer damit aber auch in die Pflicht, sie sind qua Zeugung zuständig fürs Kind - genauso wie die Mütter. Das Gericht schreibt damit eine neue Norm fest, lange bevor sie gesellschaftliche Wirklichkeit ist."
Der unverheiratete Vater dürfe künftig bei den Themen Aufenthaltsrecht, Ausbildung oder religiöse Erziehung mitbestimmen, "wenn dieser denn am gemeinsamen Sorgerecht interessiert ist". Die Referentin vom Verband der alleinerziehenden Mütter und Väter bezeichne das als "'falsch verstandenen Liberalismus'". "Aber nein, Frau Kroeske", tadelt der Weser-Kurier, "es ist die überfällige Anpassung des Rechts an gesellschaftliche Entwicklungen, die Sie offenbar verschlafen haben."
Handelsblatt beobachtet die applaudierenden Politiker aller Parteien und fragt sie, "warum es diese (neue) Vorschrift überhaupt noch gibt. Es wird jetzt höchste Zeit, dass uneheliche Paare den verheirateten beim Sorgerecht gleichgestellt werden. Denn solange eine Mutter den Vater mit ihrem Veto zur Klage zwingen kann, kann das Sorgerecht als Druckmittel im Beziehungsstreit missbraucht werden." Und auch das Blatt erinnert in diesem Zusammenhang an die Leidtragenden solcher Auseinandersetzungen: die Kinder.
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Julia Kreutziger