Pressestimmen

Deutsche Konjunktur lahmt "Übertrieben, Alarmknopf zu betätigen"

Deutschlands rasanter Wirtschaftsboom findet ein jähes Ende: Nach einem fulminanten Start ins Jahr schwächt sich die Konjunkturdynamik im zweiten Quartal überraschend deutlich ab. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wächst im Vergleich zum Auftaktquartal 2011 nur noch geringfügig um 0,1 Prozent. Kein Grund zur Sorge, meinen die einen. Holzauge, sei wachsam, warnen die anderen.

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(Foto: picture alliance / dpa)

Das Handelsblatt sieht keinen Grund zur Beunruhigung: "Nach den enttäuschenden Wachstumszahlen für das zweite Quartal sieht die Lage in Deutschland, dem Land des Arbeitsmarktwunders, anscheinend nicht besser aus als im krisengeschüttelten Euro-Raum oder in den ebenso von Arbeitslosigkeit und Staatsschulden geplagten USA. Doch dieser Eindruck täuscht". Die Wirtschafts- und Finanzzeitung aus Düsseldorf besänftigt die Gemüter: "Auf die flatterhaften und revisionsanfälligen Quartalszahlen für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sollte man nicht zu viel geben. Wir wissen aus anderen, verlässlicheren Daten, dass die deutsche Wirtschaft sich im ersten Halbjahr sehr gut entwickelt hat. Die Gründe dafür werden fortbestehen, auch wenn wir uns von den hohen Wachstumsraten der ersten Erholungsphase verabschieden müssen".

Auch für die Volksstimme ist die Wachstumsdelle "für sich genommen kein Beinbruch". Für die Kommentatoren der Magdeburger Tageszeitung war bereits zuvor abgemacht, dass der rasante Wirtschaftsaufschwung der zurückliegenden Monate sein Tempo nicht ewig halten konnte: "Nicht nur, dass Deutschland wieder über Vorkrisenniveau produziert und die Aufholjagd in diesem Punkt beendet ist. Auch von den internationalen Märkten kamen mit der Staatsschuldenkrise im Euroraum, der schwächelnden US-Konjunktur und steigenden Ölpreisen deutliche Signale, die eine Fortdauer des Höhenfluges nicht mehr erwarten ließen". Insofern müsse man – "auch mit Blick auf unsere Nachbarn - nicht enttäuscht sein". Denn unter dem Strich kehre "das Wachstum in normale Bahnen zurück". Auch wenn heute niemand wisse, für wie lange.

Keinen Grund zur Konjunkturpanik sieht auch die Financial Times Deutschland: "Die Konjunktur schwächelt. Allerdings wäre es übertrieben, gleich von einem Absturz zu sprechen und den Alarmknopf zu betätigen". Die Wirtschaftszeitung aus Hamburg gebietet Einhalt: "Die Exporte sind weiter gestiegen, die Investitionen ebenfalls. Aber am Privatkonsum hapert es. Den Bürgern wäre schon geholfen, wenn sie angemessener an den fetten Gewinnen der Unternehmen beteiligt werden und die Löhne kräftiger steigen. Und sie wären ausgabefreudiger, hätten sie die Gewissheit, dass ihnen der Euro nicht bald unter den Händen weg bricht und die Euro-Zone in eine Rezession stürzt".

Die Frankfurter Rundschau hingegen ist alarmiert und lenkt den Blick weiter. Die sinkende deutsche Wirtschaftsleistung ist für die hessische Tageszeitung eine unmittelbare Folge der ungelösten Schuldenkrise in Europa - und damit ein hausgemachtes Problem: "Die Bundesregierung präsentierte sich als die Macht, die die  anderen Länder zu mehr Sparsamkeit und Wettbewerbsfähigkeit, sprich  Lohnmäßigung, mahnte. Inzwischen nennt die Welt diese Ratschläge  die 'deutsche Diät'. Doch sie bekommt der deutschen Wirtschaft  selber nicht. Weltweit - insbesondere in Europa - gehen Staaten auf  Konsolidierungskurs. Das schwächt ihr Wachstum und damit auch die weltmarktabhängige deutsche Wirtschaft". Größtes Risiko für die  hiesige Konjunktur sei daher eine Eskalation der Euro-Schuldenkrise. "Käme  es dazu, wäre auch dies Resultat der deutschen Strategie der Sparappelle an alle Euro-Länder. Es mag ja sein, dass die Schulden  langfristig sinken müssen". Durch Ausgabenkürzungen, so die Kommentatoren, sei aber "noch  kein Land und kein Unternehmen reich geworden".

"Deutschland leidet unter der Schwäche der europäischen Märkte und verliert selbst die Kraft, diese mitzuziehen", bemerkt die Märkische Oderzeitung. Auch wenn die hiesigen Firmen zuletzt mit immer neuen Rekordzahlen gute Stimmung verbreiteten, scheint sich nun doch die allgemeine Unsicherheit der Verbraucher auszuwirken. Das Blatt aus Frankfurt/Oder mahnt: "Dringend geboten wäre deshalb, endlich Ruhe an der Finanzfront herzustellen, damit den Pleitegerüchten in Südeuropa oder jetzt sogar in Frankreich der Boden entzogen würde. Aber ganz soweit sind Merkel und Sarkozy noch nicht".

Gelassener reagiert der Südkurier aus Konstanz: "Wen wundert's: Als eine der führenden Exportnationen bekommt es Deutschland schnell zu spüren, dass sich die Weltkonjunktur abkühlt. Jetzt aber Trübsal zu blasen, wäre falsch. Schließlich hat die deutsche Wirtschaft gegenüber dem Vorjahr immerhin um 2,8 Prozent zugelegt. Von einer solchen Rate hätten wir vor zwei Jahren noch geträumt".

Die Westdeutsche Zeitung aus Düsseldorf fasst die Situation kurz und prägnant zusammen: "Die deutschen Unternehmen sollten für eine Wachstumsdelle gut gerüstet sein. Prall gefüllte Auftragsbücher, ordentliche Gewinnpolster und schlanke Strukturen sind dafür die besten Voraussetzungen. Dennoch dürften auch hierzulande die Zeiten des Aufschwungs XXL vorerst vorbei sein".

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Susanne Niedorf-Schipke

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