Pressestimmen

Pressestimmen zu NSU-Morden "Versagen des deutschen Staates"

Bundespräsident Joachim Gauck sichert den Angehörigen der Mordopfer der Neonazi-Zelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) umfassende Aufklärung zu. Bei einem Treffen im Schloss Bellevue sagte Gauck, Deutschland dürfe nicht vergessen, was geschehen ist.

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"Ein Empfang ist ein wichtiges Symbol, er kann Hilfe und konsequente Aufklärung aber nicht ersetzen", betont der Kölner Stadt-Anzeiger. "Die Opfer und ihre Angehörigen haben Anspruch darauf. Viele von ihnen wurden durch Deutschlands Polizei-Behörden verhört, weil diese unbeirrt glaubten, einer Milieutat auf der Spur zu sein." So versuche die Staatsspitze sich in Anerkennung der Opfer, während der Apparat Untersuchungsakten schreddert und Antworten auf die Grundfrage verhindere: Warum fielen die Serienmörder den Behörden nicht auf?

Nach der beeindruckenden Gedenkfeier für die Opfer der menschenverachtenden und rassistischen Terrorzelle Anfang vergangenen Jahres habe es für die Angehörigen nicht mehr viele tröstende Worte gegeben, gibt die Rhein-Zeitung zu bedenken. "Ein Untersuchungsausschuss im Bundestag geht der wichtigen, doch teils sehr bürokratischen Frage nach, wo in den Behörden Fehler gemacht wurden, die eine frühere Aufklärung der Morde verhinderten. Im nächsten Monat beginnt außerdem der Prozess gegen die einzige Überlebende der Terrorzelle", so die Zeitung. All das sei zweifellos wichtig, auch für die Angehörigen der Getöteten. Für eine echte Versöhnung mit den türkischen Familien, die teils selbst verdächtigt und überprüft wurden, bedürfe es jedoch größerer Gesten.

"Jeder hat andere Erwartungen, für einige war Joachim Gaucks Gesprächsangebot eine willkommene Geste ernsthafter Anteilnahme, für andere ein Ausweis der Hilflosigkeit des Staates", schreibt die Ludwigsburger Kreiszeitung. "Eines aber verbindet alle, die ins Schloss Bellevue geladen und die teils furchtbaren Verdächtigungen ausgesetzt waren: die Erwartung, dass die Mordserie lückenlos aufgeklärt wird. Und dass sichergestellt wird: So etwas wird sich in Deutschland niemals wiederholen. Genau das hat Angela Merkel den Angehörigen der Opfer vor gut einem Jahr versprochen. In der Tat gibt es seit der Entdeckung des NSU Fortschritte. Doch das reicht nicht. Es ist beispielsweise offensichtlich, dass Innenminister Hans-Peter Friedrich manchmal die nötige Entschlossenheit vermissen lässt. Merkel muss dafür sorgen, dass Derartiges nicht mehr vorkommt."

"Das Versagen des deutschen Staates, sein eigenes Versagen bei den NSU-Ermittlungen einzugestehen und daraus Konsequenzen zu ziehen, hat gravierende Folgen", so die Mitteldeutsche Zeitung. Er untergrabe das Vertrauen, das Einwanderer in die deutsche Rechtsstaatlichkeit haben können. "Genauso dramatisch sind die Folgen für die Demokratie selbst. Wo Parlament und Regierung sich als machtlos gegenüber der Bürokratie erweisen, bleibt die Justiz als letzte staatliche Instanz. Am 17. April soll vor dem Münchner Landgericht der Prozess gegen Beate Zschäpe beginnen, die einzige Überlebende des Zwickauer NSU-Trios. Auf dieses Jahrhundert-Verfahren richten sich nun die Hoffnungen der Angehörigen"

"Nicht nur die Hinterbliebenen der NSU-Opfer haben noch viele Fragen, fordern Erklärungen", heißt es in der Schweriner Volkszeitung. "Doch da wird gemauert, getäuscht und geschreddert, da verschwinden Akten und treten Erinnerungslücken auf. Das Vertrauen in den Rechtsstaat ist tief erschüttert worden. Und die mangelhafte Aufklärung der Ermittlungsfehler dient nicht gerade dazu, dass die Angehörigen der Opfer dies wieder schnell zurückgewinnen könnten. Der Bundespräsident hat vor allem die Macht des Wortes. Er sollte sie einsetzen."

Quelle: ntv.de

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