Grün-Rot siegt in Baden-Württemberg "Volksabstimmung gegen die CDU"
27.03.2011, 21:49 UhrBaden-Württemberg hat sich entschieden: Stefan Mappus soll das Land nicht weiter regieren - ein Debakel, das auch auf die Bundes-CDU zurückfällt. Doch nicht nur die Christdemokraten werden abgestraft, auch die FDP wird "zur Statisterie verdammt". Der SPD sollte eine Warnung sein, dass sie in Stuttgart zum Juniorpartner wird. Der Gewinner sind die Grünen. Sie müssen beweisen, dass sie mehr können, als dagegen zu sein.

So sehen Gewinner aus: Winfried Kretschmann könnte der erste grüne Ministerpräsident werden.
(Foto: dpa)

So sehen Verlierer aus: Stefan Mappus übernimmt die Verantwortung für die Wahlschlappe im Stammland Baden-Württemberg.
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"Baden-Württemberg erlebte das von Merkel angekündigte Plebiszit, nur anders, als von ihr gedacht: eine Volksabstimmung gegen die CDU", kommentiert die Frankfurter Rundschau und sieht die Bundeskanzlerin unter Zugzwang: "Die Momentaufnahme des Wahlergebnisses (...) ist in Wahrheit das Langzeiturteil über eine Politik, die am Volk scheitert. Darum wäre es konsequent, wenn Merkel jetzt ihr Wort vom Plebiszit beherzigte. Sie kann den Schröder geben und Neuwahlen herbeiführen; oder sie versucht, die CDU auf neuen Kurs zu zwingen. In beiden Fällen ist ihr persönliches Restrisiko immens. Aber die Zeit des Abwartens und Aussitzens ist vorbei."
Das sieht die Nordwest-Zeitung aus Oldenburg anders. Für sie ist Angela Merkel, "die diesen Wahlsonntag zum Schicksalstag ausgerufen hatte", mit einem blauen Auge davongekommen. "Das zwiespältige Ergebnis sicherte ihr vorerst den Job, muss aber als Alarmruf einer stark verunsicherten Anhängerschaft gewertet werden." Anders sehe es bei den Liberalen aus, "die in beiden Ländern beim Stimmanteil halbiert und zur Statisterie verdammt wurden". "Zum dritten Mal in Folge ging die FDP auf Talfahrt. Dies ist nicht allein dem Dampfplauderer Brüderle zu verdanken. Parteichef Westerwelle ist dabei, sich nach seinem einzigartigen Aufstieg politisch selbst zu demontieren. Den Liberalen droht mit ihm ein Rückfall in die Bedeutungslosigkeit."
"Die Regierung in Berlin hat (...) die Quittung für die galoppierende Entwertung ihrer politischen Grundsätze bekommen", urteilen die Kieler Nachrichten. Ein Austausch von Köpfen helfe da nicht, denn "solange auf der Kommandobrücke ein Zickzackkurs gesteuert wird, dümpelt das Schiff weiter orientierungslos in schwerer See. Entweder besinnt sich Angela Merkel aufs Regieren oder sie wird zur Kanzlerin auf Abruf." Doch nicht nur der CDU, "auch der SPD sollten diese Wahlen eine Warnung sein". "Noch gleichen die Grünen ihre Verluste aus, so dass es zu Bündnissen reicht. Vorerst kann sie verschmerzen, dass sie in der Energiepolitik längst die Meinungsführerschaft an die Grünen abgegeben hat. Geschieht das auch auf anderen Themenfeldern, dann wird sie nicht nur in Stuttgart zum Juniorpartner. Das wäre das Ende der SPD als Volkspartei."
Die Hannoversche Allgemeine Zeitung legt ihr Augenmerk auf den Spitzenkandidaten der Grünen und vielleicht bundesweit ersten grünen Ministerpräsidenten: "Kretschmann erschien den Menschen im Ländle nicht nur wählbar, sondern fast schon als Vorbild: seit Jahrzehnten verheiratet mit der Mutter seiner eigenen Kinder, Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken, aktiv im Vorstand eines Vereins zum Schutz seltener Pflanzen. So konservativ wie Kretschmann war, man erinnert sich, nicht mal der zeitweilige CDU-Ministerpräsident Günther Oettinger. Ein Linksrutsch geht anders. Statt dessen haben sich die Wähler im 'Land der Tüftler' angesichts der Frage, wie man vielleicht die Atompolitik ändern und auch das Bahnhofsprojekt 'Stuttgart 21' bremsen könnte, ohne aber einen SPD-Regierungschef zu installieren, etwas Neues ausgedacht: Grün-Rot."
"Kretschmann und die Grünen können jetzt beweisen, dass sie nicht die Dagegen-Partei sind, als die sie in den Auseinandersetzungen über große Infrastrukturprojekte oft verunglimpft wurden", meint die Stuttgarter Zeitung. "Die politische Verantwortung, die sie nun gemäß dem Bonmot von SPD-Altkanzler Gerhard Schröder in einem Bundesland erstmals als Koch und nicht als Kellner übernehmen, wird sie verändern; Kretschmann und andere haben seit Jahren gezeigt, dass sie dazu bereit sind. Nun muss auch die Partei hinter den Führungsfiguren beweisen, dass sie dazu in der Lage ist."
Die Heilbronner Stimme schreibt einen Abgesang auf Stefan Mappus: "Das Land wird Grün/Rot: Die Baden-Württemberger bescheren Winfried Kretschmann einen triumphalen Sieg. Sicher profitieren die Grünen von zwei polarisierenden Themen. Erst war es Stuttgart 21, dann die Kernenergie. Dazu kommt jedoch mit Kretschmann ein Spitzenkandidat, der für bürgerliche Kreise wählbar war. Die CDU wird zu recht abgestraft. Ministerpräsident Mappus kam mit seinem Zickzack-Kurs und seinen Haudrauf-Methoden nicht an. Er machte viele handwerkliche Fehler - vom Polizeieinsatz am Stuttgarter Bahnhof über den umstrittenen EnBW-Kauf bis zum Zurückrudern bei der Kernenergie. Mappus wird auch in der Landes-CDU nach diesem Absturz keine Rolle mehr spielen."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Nadin Härtwig